Seite:OberamtEllwangen 168.jpg

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pro Kouvert, Musik etc. festgestellt. Zwischen dem Heiratstag und der Hoachzet geht der Hoachzeiter und ein Brautführer (Hoachzetläder) im Wohnort der Brautleute und in den benachbarten Orten, wo Verwandte wohnen, zum Hochzeitladen herum. Der Brautführer führt dabei das Wort. Er hat die Aufgabe, den Einladungsspruch zu sagen, Witze zu reißen etc. Je besser dessen Mundstück, desto größer der Stolz des anwesenden Bräutigams und die Freude der Eingeladenen. Die Einladung lautet in der Regel: „An schöana Gruaß vom gegenwärtiga Hoachzeiter, und von seiner Braut und Ihr seiet zu ihrer Hoachzetschenke am . . . (Tag) im . . . (Wirthshaus) freundlich einglada; es werd se reacht freua, wenn man d’Ehr gäbe etc.“

Einzug (Tischrucke). Kommt der Bräutigam oder die Braut von auswärts, so findet am Abend vor der Hochzeit der Einzug statt. Die Ausstattung „Hausroath“ wird auf einem geschmückten Wagen geführt; oben auf stehen die schön überzogenen „aufgerichteten“ Bettladen des Brautpaars. Sind die Brautleute vermöglich, und ist der Hausrat dementsprechend groß, so ist der Wagen mit 4 Pferden bespannt. Dieselben sind mit farbigen Bändern verziert. Auch der Fuhrmann und der den Wagen begleitende Schreiner wie seine Gehilfen tragen farbige Bänder und ein „Tüchle“ auf dem Hut. Diese „Tüchle“ sind Geschenke der Brautleute. Braut und Bräutigam folgen in schön bekränztem Gefährt dem Brautwagen.

Am Abend desselben Tags wird im Hause der Brautleute gezecht, gesungen und gescherzt. Dazu werden Nachbarsleute, gute Bekannte und Verwandte eingeladen. Diese Feier wird „Tischrucke“ genannt. Die Hochzeiten werden an den Wochentagen Montag, Dienstag und Donnerstag gehalten. Brautleute, Verwandte und Gäste versammeln sich vor dem Abgang zur Kirche im Wirthshaus. Braut, Bräutigam und Zeugen gehen alsdann zum Standesbeamten aufs Rathhaus, woselbst die Civiltrauung stattfindet; nachher zurück ins Wirthshaus und dann Zug in die Kirche. Während sich der Zug ordnet und in Bewegung setzt, spielt die Musik im Hofe der Wirthschaft. Der Zug ist in folgender Weise geordnet: Zuerst der Bräutigam, begleitet von den sog. Kirchenmännern, dann die Männer und hierauf die ledigen Mannsleute; Braut mit Brautführern und Brautjungfern, (früher auch Hoachzetmagd genannt) Frauen und Jungfrauen. Bis vor kurzer Zeit hielten die Brautführer, die links und rechts an der Seite der Braut giengen gezogene Degen im Arm. Dieser Brauch kommt in Abgang. Nach der kirchlichen Trauung kehrt der Zug in gleicher Ordnung in die Wirthschaft zurück. Gratulation von den Eltern, Dôten, Brautführern, Brautjungfern und Gästen. Bald beginnt dann die Mahlzeit, welche ca. 3 Stunden dauert. Auf 1 Gast werden 7 Pfund Fleisch gerechnet, außerdem 1 Blut- 1 Leber- und 1 Bratwurst, 1 Sulz, 1 St. Torte. Was an Fleisch etc. nicht gegessen wird, nehmen die Gäste mit nach Haus. Abends findet noch einmal ein Essen statt, wobei das sog. Süßbrühfleisch – Rindfleisch mit Lebkuchen und Rosinen aufgekocht – eine Rolle spielt. Die Hochzeitschenke beginnt nach dem Mittagsmahl und wird eröffnet von den sog. Kissenweibern. Es sind dies zur Hochzeit geladene Verwandte, Basen; voran die Taufdôte. Jede derselben schenkt ein sauber weiß überzogenes mit Spitzeneinsätzen versehenes Kissen (Kissig). Eine davon hat ein Tragkissen. Diese Kissenweiber (Kissigweiber) ziehen

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Ellwangen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1886, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtEllwangen_168.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)