Seite:OberamtEllwangen 170.jpg

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gehalten wird, konnte ich nichts bestimmtes erfahren. Zweifellos rührt es von der Errichtung und Einweihung der Röhlinger (sog. Dietersbacher) Kapelle her. An diesem Festtag wird sehr üppig gelebt, und ausnahmsweise in jeder Haushaltung viel Fleisch verzehrt. Es ist Sitte, daß an diesem Tag die Ellwanger Geschäftswelt nach Röhlingen kommt, und die dortigen – theilweise sehr bedeutenden und guten Wirthschaften – besucht. In letzteren werden an diesem Tag ca. 40 Gänse, 4 Ctr. Rindfleisch, 2 Ctr. Kalbfleisch und 11 Ctr. Schweinefleisch von Röhlinger und Ellwanger Festgenossen in Eintracht verzehrt. Noch stärkerer Appetit wird von den Röhlingern entwickelt an der eigentlichen Kirchweihe (Kirbe) im Oktober. Es werden da alle Jahre in den beiden großen Brauereien allein ausgehauen und theils im Haus, theils außer Wirthshaus verzehrt: 10 Ctr. Rindfleisch, 10 Ctr. Schweinefleisch (ohne eine Unzahl Würste etc.) Die Champignyfeier wird alle Jahre vom Krieger- und Veteranenverein mit Kirchgang und Musik, Todtenamt, Festmahl und Bankett gefeiert, Reden und Toaste gehalten. Allgemeine Tanzunterhaltungen (außer Hochzeitschenken) werden äußerst selten oder eigentlich gar nicht abgehalten. Bleiben bei solchen Gelegenheiten junge Bauernmädchen ohne Schutz und Aufsicht der Eltern oder eines Bruders bis in die tiefe Nacht hinein auf dem Tanzplatz, so kommt es vor, daß die jungen Bursche als Zeichen der Verachtung Strohschäube in den Tanzsaal werfen. Damit wollen sie das betreffende Mädchen fragen, ob sie im Tanzsaal übernachten wolle. Zur Winterszeit kommen oft Zusammenkünfte junger Leute in Bauernhäusern vor. Es sind dies gegenseitige Besuche, bei denen man scherzt, Bier trinkt, Mund- oder Ziehharmonika spielt, auch tanzt und singt. Dieß heißt man zum oder in „Hoirles“ gehen. Ist’s lustig und fidel zugegangen, dann sagen die Theilnehmer „heut war’s aber recht hoinlig“ (heimlich.) Im allgemeinen muß gesagt werden, daß die Röhlinger Bauern sehr auf Zucht und Ordnung sehen, daß die Männer an Werktagen nicht ins Wirthshaus gehen; man trifft dort blos Knechte. Um 9–10 Uhr sind die Wirthschaften (mit Ausnahme der Knechtskneipen) geschlossen. Die Röhlinger sind solid, sparsam und fleißig, daher auch ihre allgemeine Wohlhabenheit. Die Erziehung der Kinder ist gut. Die erwachsenen Töchter stehen unter strenger Zucht und Aufsicht. Uneheliche Geburten sind sehr selten. 1

Metzelsuppen. Das Eigenthümliche bei unsern Bauern ist das, daß sie im Sommer, während sie angestrengt thätig sein müssen, höchst einfach, dagegen im Winter, der Zeit der Ruhe, gut leben. Die großen Bauern schlachten in der Zeit vom Herbst bis Frühjahr jeden Jahres 4–6 Schweine; die mittleren Bauern 2–3; und selbst die Geringsten (Inhaber von etlichen Morgen Güter) schlachten 1 Schwein im Winter. Im Sommer ist die Kost einfach, weil sich der Bauer kaum zum Essen Zeit nimmt. Morgens: Suppe (Milchsuppe, Schwarzbrodsuppe). Mittags: desgl., Knöpfe und Salat oder Ofennudeln und Salat. Abends wieder Suppe. Auf’s Feld nimmt der Bauer Weißbier, Schnaps und Brot. Dieses Weißbier siedet er selbst. Die Vermöglichen haben eigenen Brauzeug. Viele aber benützen die Waschapparate (Kessel und Waschschaffe.) Zu jedem Sud werden 30–50 Pfund Malz verwendet. Alle 4 Wochen etwa wird gesotten. Die Bauern ziehen ihr eigenes Gebräu dem Weißbier der Wirthschaften vor. Obstmost wird zur Herbstzeit zwar bereitet, aber in geringer Menge, so daß er bis

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Ellwangen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1886, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtEllwangen_170.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)