Seite:OberamtEllwangen 397.jpg

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Fürstabt Johann von Holzingen; sie hat ihre gothische Form im Grundplan wenigstens und den Umfassungsmauern bis heute bewahrt. Es ist ein langgestreckter, dreischiffiger, im Chor einschiffiger Bau, der Chor schließt vieleckig und ist wie das Langhaus ohne Strebepfeiler. Der Thurm steht dem Chore zu an der Südseite der Kirche und hat noch am besten die alte Art. Unten herauf mit schönem geschliffenem Quaderwerk mit einigen ächten, feingebildeten Spitzbogenfenstern, erinnert er noch an das 14. Jahrhundert; die drei oberen Geschosse sind jünger, mit breiten öden Spitzbogenfenstern, und endigen in einer Zwiebelkuppel. Die Kirche selbst zeigt in den Fenstern nirgends mehr gothisches Maßwerk, ihr äußerer Eindruck ist ziemlich nüchtern. Anders das Innere. Drei Stile wirken hier zusammen: die Gothik durch die Länge des Grundplans, die Renaissance in Pfeilern, Gewölben und Bögen, das Rokoko durch die reichste Ausstattung mit Gemälden. Die drei Stilarten durch eine durchgängige ornamentale Bemalung harmonisch zu verbinden, zu verschmelzen, unternahm in den letzten Jahren Stadtpfarrer Dr. Schwarz mit Hilfe des Malers Fr. X. Kolb. Er wählte den mittleren, den Renaissancestil zu seiner Polychromie und es gelang ihm, die widerstrebenden Formen zu fassen und zu beugen unter ein höheres Gesetz. Der Eindruck des langen, lichten, großen, in guten Verhältnissen aufgeführten ganz gewölbten Raumes ist ein feierlich wohlthuender. Die Farben sind z. Th. keck und fast schwer, gegenüber den leichten an Porzellanmalereien gemahnenden Tönen der zahlreichen Rokoko-, Wand- und Deckenbilder. Aber mit der leichten Färbung des Rokoko an den starren rechtkantigen kahlen Baugliedern hätte man diese Räume niemals zur einheitlichen Wirkung gezwungen. Und eine gothische Malerei hätte vollends gar nicht zu den vorhandenen Räumen gestimmt. Das Mittelschiff ist breiter und etwas höher als die Seitenschiffe, die Arkadenpfeiler sind quadratisch mit durch Viertelsstäbe abgefasten Ecken, alles in Halbflachbögen und halbflachen Gewölben, nunmehr in Gold und Farben schimmernd und prangend und der prächtige Eindruck noch erhöht durch die lange Perspektive dieses Hallenraumes. 1

Fünf Arkaden und fünf Gewölbejoche kommen auf das Langhaus, zwei auf den Chor, der überdies noch halbachteckig schließt. Die Pfeiler haben jonische Kapitäle mit Zopfbatzen zwischen den Schnecken. An der Decke des Chores erscheint eine große, ergreifend liebliche Madonna, von 4 schwebenden Engeln in einer

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Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Ellwangen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1886, Seite 397. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtEllwangen_397.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)