Seite:OberamtMergentheim0042.jpg

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die Kirche wieder ein gar edles gothisches Bauwerk, in tiefer Natureinsamkeit bei Obstbäumen, Feldern und Weinland am hier beginnenden Wald gelegen; weiter hinauf durch das freundliche Münster, zu den Mühlen von Lichtel, die tief verborgen im schattigen Waldthalkessel rauschen, und darüber auf dem felsigen Vorsprung die letzten Trümmer der Burg Lichtel.

Lieblich ist auch das Thal von Nassau, eng und feucht, früher noch mehr, da der Wald noch tiefer herabgieng; darin, ganz in Obstbaumgärten gebettet, das hübsche Dorf Nassau mit dem hohen wohlerhaltenen romanischen Kirchthurm, mit seinen Blumenknaufsäulen und Bogenfriesen. Treten wir dann in das Rüsselhauser Thal, eines der stillsten, verlorensten. Der muntere, von Erlen und Weiden umsäumte Bach, das lichte Wiesengrün, an den Südhängen die in den Föhrenwald hineinspielenden hohen halbverwilderten Weinberge, das dichte Obst um die Ortschaften; keine Fernsicht, nur ein Blick ins blauliche Thal hinab, aber eine wunderbar wohlthuende von der Welt abgewendete Stille und Ruhe. Sehr lohnend ist ferner ein Gang durch das Stuppacher Thal, vorbei an Stuppach mit seiner schönen, gothischen Kirche und dann durch die Laubwälder hinüber zum anmuthig gelegenen Althausen.

Blicken wir dann auf die von scharfer und strenger Luft umwehten Hochflächen gegen Aub, Würzburg und Rothenburg hin, jenen fruchtbaren Ackergrund, darauf in sehr wohlhabenden Ortschaften und Höfen die stattlichen steinernen Bauernhäuser stehen, vor den Fenstern den brennendrothen Blumenflor; auf allen Anhöhen erfreut hier der Anblick der blauen langgedehnten feingeformten Frankenberge, die zu ziemlich starken Bergzügen anschwellen und die Einbildungskraft beschäftigen. Schöner Blick z. B. auf der Wart zwischen Waldmannshofen und dem schon bayerischen Städtchen Aub. Dieses hart an der Grenze gelegen, nur klein, aber noch ganz ummauert und mit einer Kirche im schönsten Übergangsstyl von der romanischen zur gothischen Baukunst.

Und wen gelüstete nicht, von hier oder von Bernsfelden und Simmringen aus über die so fruchtbare Ackerlandshochebene, das Gäu, hinüberzuwandern, vorbei an Giebelstatt, wo noch das Schloß Florian Geyer’s von Giebelstatt von Zeiten des Bauernkriegs her in kahlen Ruinen liegt, hinüberzuwandern nach Würzburg, das entfernter von der Grenze gelegene, aber stets mächtige – die herrschende Doppelstadt am Mainstrom, in reichster blühender Weingegend, Sitz uralter Christianisirung,

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0042.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)