Seite:OberamtMergentheim0044.jpg

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Wermuthausen) mit dem alleinstehenden, von Gespenstersagen umhafteten „Heftenbaum.“ Uralte Opfer- und Versammlungsplätze freier Germanen. Merkwürdig anregend ist auch ein Gang hinauf an der munteren seitab fließenden Gollach, wo wieder der Weinbau in den Tannenwald und dieser in jenen hinein verwilderte, und oben auf dem von rauhen Steinbrocken besäten Berg, von den starken Mauern des einsam liegenden Friedhofs umschlossen, bei steinalten Ulmenbaumknorren die Kunigundenkirche (schon bayerisch, aber ringsumher gesehen von württembergischen Dörfern); eine jener geistvollen Anlagen aus dem Ende des 12. Jahrhunderts, woran diese Gegend so reich ist. Die einschiffige Kirche hat einen Ostthurm (mit verschütteter Krypta), an dem eine schwebende halbrunde Chorabside hinaustritt, umziert von merkwürdigem Fratzengethier; statt der Säule im Doppelfenster des halbabgetragenen Thurmes eine menschliche Gestalt, (soll die heilige Kunigunde sein), ein kindlich urthümlicher Versuch einer Karyatide. Das Mauerwerk, eng und trefflich gefügt, mit schmalen Rundbogenfenstern, verspricht ewige Dauer. Unweit davon, aus dem dichtesten Wald herausragend, die Trümmer der einst herrlichen Burg Reigelsberg, auch schon im Bayerischen, aber unser Bezirk selbst bietet ganz in der Nähe davon in der auf felsigem Vorsprung des Steinachthales breit hingelagerten Ruine Brauneck das Bild einer Burg ersten Ranges. Von Nordosten, über das Ackerfeld herkommend, erscheint diese Burg als ein riesiges, kahles, hochaufsteigendes Mauerviereck, aus dessen schwerem Umriß der halb abgebrochene, einst 120 Fuß hohe Bergfried ebenso stumpf und schwer herausragt. Auch vom Steinachthal aus gesehen behält sie, der meisten Mauerthürme beraubt, ihren düsteren Ernst; nur der Blick von oben herab ist lachend, aufwärts in das enge gewundene Steinachthal, aus dem, unter Obstbäumen versteckt, auf niedrigerem Hügelvorsprung die alte Grablege der Hohenlohe, die schlicht, aber herrlich gebaute Frauenthaler Klosterkirche, eine große Doppelkirche, sich hinstreckt. Besonders reizend sind alle diese Thäler im Frühling, wenn die vielen Obstbäume blühen und ein prächtiger wilder Blumenflor an den Ufern der Erlenbäche den Wanderer lockt. – Schließen wir endlich mit einem Bild aus späteren Tagen, das aber auch schon den Wandel der Zeiten erfahren, und deshalb gerade im Herbst in seiner tiefsten Stimmung erscheint, dem Schloßgarten zu Weikersheim. Die falben Bäume der breiten Alleen, die rothen, um Steindenkmäler sich

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0044.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)