Seite:OberamtMergentheim0155.jpg

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werden Knechte und Mägde beim Wandern mit Gesang, erstere auch mit gewaltigem Peitschengeknall, aus dem alten ins neue Diensthaus begleitet, nachdem sie zuvor von ihrer alten Herrschaft noch einen „Wenzellaib“ (von „wenzeln“ = wandern, oder von König Wenzel? W. Fr. 7, 195) erhalten haben.

Tritt ein Knecht oder eine Magd in einen andern Ort der Gegend in Dienst über, so läßt sie die neue Herrschaft mit zweispännigem Wagen, auf dem sich ihr „B’hälter“ d. h. Kleiderkasten befindet, abholen.

Die neu eintretenden erhalten ihren „Weinkoff“ nebst „Zug’höring“, bestehend manchmal in 30–36 Ellen Tuch (Leinwand), einigen Pfunden Wolle, „Koupftüchle“, einem Paar Schuhe bei Mägden, und bei Knechten in 2 Hemden, 1 Schürze, auch in Wolle und eine „Flicket“, Leder zum Sohlen der Stiefel.

Fastnacht. An der „Fåsenacht“ (Fastnacht, auch bei den Protestanten heißt die ganze Passionszeit „Fastenzeit“, der Konfirmandenunterricht „Fastenunterricht“, weil er zum größeren Theil in diese Zeit fällt) wird in den meisten Häusern etwas „Extres“ gekocht, eine „Bratpfanne“ oder „Küchle“ gebacken und dgl. und zwar meist Abends.

Fastnachtsscherze und Vermummungen kommen nur in Mergentheim und etlichen katholischen Orten vor.

Karfreitag. In der Nacht vom Gründonnerstag auf Karfreitag wird in vielen Häusern gebuttert, dem gewonnenen Butter (der Franke sagt nicht die, sondern „der“ Butter) wird heilende Kraft zugeschrieben und deshalb davon das Jahr über aufgehoben. Auch holt man am Karfreitag Morgen vor Sonnenaufgang Wasser am Brunnen oder aus dem Fluß etc. und wäscht sich hiemit Augen, Gesicht und Hände, was vor Erkrankung bewahren soll, namentlich aber wird diesem Karfreitagswasser schützende Kraft gegen die Krätze und andere Hautkrankheiten zugeschrieben, ja selbst beim Heilen schwerer Knochenbrüche soll es seine Wunderkraft erproben. Es wird festgepfropft von Karfreitag zu Karfreitag aufgehoben.

Pfingsten. In der Nacht vom Pfingstsamstag auf den Pfingstsonntag werden die „Maien“ gesteckt als Zeichen der Gunst und Zuneigung besonders von den Burschen ihren Mädchen. Sind sie gestohlen, so macht die Gefahr der Strafe, welche den Gebern droht, das Liebeszeichen nur um so werthvoller.

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0155.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)