Seite:OberamtMergentheim0157.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Am „Kärwmendi“ (Kirchweihmontag) Mittags rücken die Musikanten mit klingendem Spiele ein, und nun werden die „Madlich“ oder „Maidli“ von Haus zu Haus abgeholt, und zwar durch Sendlinge der Wirthe, und in ganzen Reihen in die Tanzhäuser geführt.

Abends kommen auch die Weiber, um – wenn auch noch so alt – mit ihren Männern zu tanzen.

Das junge Volk hält die ganze Nacht aus bis zum andern Morgen, begibt sich dann auf einige Stunden nach Hause, Mittags aber gehts schon wieder zum Tanz bis Mittwoch Früh.

Am Dienstag oder Mittwoch wird die „Kärwe“ unter allerhand Possen und Vermummungen „begraben“.

Am Sonntag darauf ist „Nachkärwe“, bei der von den Einheimischen mit den Wirthen gewöhnlich abgerechnet wird.

Weinlese. Im Herbst bei der Traubenlese werden die Pferde, welche den „Beerwåche“ mit der mehrere Eimer fassenden „Karragelte“ zu ziehen haben, mit Rollen von Schellen behängt. Selbst die Ochsen und Kühe wurden früher mit solchen Schellen versehen.

Die Kelterung, „das Kaltere“, findet auf lauter Privatkeltern statt, die gewöhnlich in den Scheunen aufgestellt sind.

Der neue Wein heißt das ganze erste Jahr „Mouscht“, während das von Äpfeln oder Birnen gewonnene Getränke „Epfelmouscht“ genannt wird.

Beim Fassen des verkauften Weins heißt derselbe – ob neuer oder alter Wein – „Schrotwein“ von den verpflichteten Schrötern, die ihn zu laden haben. Ist das Ladegeschäft vorüber, so wird Abends im Hause des Verkäufers „Schrotwein trunka“, wozu Verwandte und Nachbarn geladen werden.

Der Käufer erhält beim Holen des Weins einen Strauß, wofür er an die Frau oder Tochter oder Magd des Hauses ein möglichst splendides Trinkgeld „Straißgeld“, zu zahlen hat.

Während der Lese wird nur wenig geschossen und gefeuerwerkt.

Martini. An Martini oder auch am 6. Dezember, dem Nikolaustag, geht Abends der „Nußmärte“ in vermummter Gestalt herum, erschreckt die Kinder, um sie dann wieder durch „Niß“ und „Epfel“, die er austheilt, zu beruhigen.

Weihnachten. An den drei Donnerstagen vor Weihnachten wird – aber mehr nur in den Städten – von armen Kindern das „Anklepferli“ abgehalten. Sie gehen von Haus zu Haus, singen und empfangen dann eine Gabe.

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0157.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)