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Bei Hochzeiten und Leichenbegängnissen ihrer Pathenkinder kommen die Pathen unmittelbar nach deren Eltern und bei Beerdigungen ihrer Taufpathen gehen die Pathenkinder mit den hinterlassenen Söhnen und Töchtern als die nächsten Leidtragenden unmittelbar hinter der „Båhre“ (Sarg).

Die Pathenkinder sagen zu ihren Taufpathen, wenn dieselben auch Brüder oder Schwestern von Vater oder Mutter sind, nie Onkel und Tante oder Vetter und Bas, sondern stets „Dout“ und „Douti“, auch wenn sie schon erwachsen oder nach ihrer Eltern Tod ins Haus ihrer Taufpathen aufgenommen sind.

Verlöbnis. Am Tage des Verlöbnisses, dem „Heiretsdack“, Heirathstag, zu welchem die Taufpathen und nächsten Verwandten geladen werden, und an dem der Heirathsvertrag gewöhnlich vom „Schulze“ vor oder nach der damit verbundenen Abendmahlzeit geschrieben wird, oder bald nach demselben erscheinen Bursche vor dem Haus der Verlobung mit einer Henne. Dieselbe wird gezwickt, daß sie recht „kärrt“ (laut schreit) daher der ganze Vorgang „Hänerkärrli“ heißt. Dieses Geschrei gilt als Aufforderung an den Bräutigam, durch ein Geschenk sich die Erlaubnis zum Austritt aus dem Junggesellenstand zu erkaufen. Ehe das Geschenk jedoch gereicht wird, versuchen die Verwandten des Bräutigams, sich des schreienden Mahners zu bemächtigen, was die Bursche ihrerseits zu verhindern suchen. Es bleibt dem Bräutigam nun nichts übrig, als durch 2–4 Kronenthaler, jetzt 10–12 M., sich auszulösen. Das Huhn bekommt seine Freiheit wieder, und das Geld wird im Wirthshaus vertrunken.

In den meisten Orten lassen sie neuerdings die arme Henne weg und thun ihre Anwesenheit durch Absingen einiger Lieder kund, worauf sie vom heraustretenden Bräutigam zu Wein und Brot ins Haus geladen und beim Abschied mit dem betreffenden Geldgeschenk entlassen werden.

Einzug. Beim Einzug, der, wenn Bräutigam oder Braut von auswärts kommt, am Abend vor dem Hochzeittag stattfindet, ist der Brautwagen mit Bändern behängt und wohl bekränzt, ebenso die Pferde, die gewöhnlich in den Thalorten die Müller zu stellen haben gegen 1 Kronenthaler, jetzt 5 M., Trinkgeld für den Knecht.

Der Fuhrmann und der Schreiner, der die „Ausstattung“, „Hausroath“ gemacht hat, bekommen ihre „Tüchle“, das sie von der Mütze herabflattern lassen. Auf dem mit dem schön überzogenen Brautbett und mit aufbereiteter Wiege versehenen Braut-

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0160.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)