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oder „Haochztwoge“ sitzen hoch oben zwei „Madlich“ oder „Maidli“, die „recht und die link Schmöllerli“, vor sich jede einen mit Bändern und Flittergold verzierten „Spinnroggen“ (Kunkel), der mit Flachs und Spindeln wohl besteckt und das Geschenk der Brautjungfern ist, haltend. Der Fuhrmann betet im Sattel unmittelbar vor der Abfahrt ein stilles Vaterunser und dann gehts mit „Hü in Gottsname“ fort.

Auf heimatlicher Markung darf mit dem Wagen nicht angehalten werden. Bräutigam oder Braut folgen, von einander abgeholt, in schön bekränztem Gefährt dem Brautwagen. Kinder suchen sie mit über die Straße gespannten Schnüren aufzuhalten und werden mit kleinen Geldstückchen, die unter sie geworfen werden, beschenkt, um die Bahn frei zu geben.

Ist der Brautwagen an Ort und Stelle angekommen, so dürfen die Pferde so lange nicht ausgespannt werden, bis die auf dem Wagen liegenden Bettstücke unter Gesang von Seiten der ledigen Bursche ins Haus geschafft sind, dann können die Hexen, die leider noch immer bei vielen eine große Rolle spielen, dem Bett nichts anthun.

Sagt man den Leuten: „glaubt ihr denn noch immer an Hexen?“ so kann man zur Antwort erhalten: „o i glab nix sötts, odder ’s ist halt doch besser sou und ’s it ma Latti sou gwa“ (o ich glaube nichts solches, aber es ist halt doch besser so und es ist mein Lebtag so gewesen).

Wer von den Brautleuten zuerst ins Haus hineingeht, der wird Herr im Haus. Gewöhnlich ist die Braut so bescheiden, dem Bräutigam dieses Recht zu gönnen, manchmal aber auch nicht, was sodann von den zuschauenden alten Weibern übel vermerkt wird, da heißts dann wohl: „die brauchts a, hat nörr a Por dausat Güldi und kummt nei en sötta schöna Houf!“

Beim Einzug und am Hochzeittag wird sehr viel geschossen.

Hochzeit. Die regelmäßigen Hochzeittage sind Dienstag, in manchen Orten auch Freitag, und wenn die Hochzeit einfach und ohne viel Aufwand gehalten werden soll, Sonntag oder Mittwoch.

In etlichen Orten essen Bräutigam und Braut, ehe sie in die Kirche gehen, beide stehend aus einem Teller gewöhnliche Schwarzbrotsuppe, damit sie einerlei Glauben und Gesinnung bekommen.

Nach der von den Gästen eingenommenen sog. „Morge- oder Frühsuppa“ und vorgenommenem Civilakt findet der Kirchgang

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0161.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)