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in ihr Haus begleitet, wo dann gespeist wird. Am Sonntag oder 8 Tage nach der Hochzeit stellen sich die jungen Hochzeitgäste zum Besuch beim neuen Ehepaar ein, um sich die Einrichtung zu besehen. „Tischrücken“ oder auch „Tischumschmaße“ (Tischumschmeißen) wird dieser Besuch genannt und mit einem Abendessen gefeiert.

In manchen Orten, namentlich im Gäu, wird dieser Besuch nur von den Kamerädinnen der jungen Frau ausgeführt, und werden dieselben beim Abschied mit einem Geldgeschenk von 6–15 M. „Ounnoth“ (Annoth, von annöthen) bedacht; weshalb auch der Besuch selbst „Ounnoth“ genannt wird. Für dieses Geld wird dann an irgend einem Abend ein „flotter Kaffee“ bereitet und hiezu die jungen Bursche – „Schätze“ – eingeladen.

Die Verheiratheten sagen, wenn sie mit Dritten von einander sprechen, nicht „mein Mann“ oder „meine Frau“ sondern nur „d’r Mein“, „die Mein“ oder auch nur „Er“ und „Sie.“

Tod- und Leichenfeier. Bei eingetretenem Todesfall halten Nachbarn und Verwandte die Todtenwache, wozu sich aber oftmals völlig unberufene Leute des Schmarozens halber herzudrängen und wobei es deshalb manchmal mit Trinken etc. recht ärgerlich hergeht.

Bei den Leichenbegängnissen wird von einem in ein schwarzes Chormäntelchen gekleideten Schulknaben ein Krucifix mit langem schwarzem Flor vorausgetragen.

Vor und nach der Beerdigung werden die geladenen Auswärtigen im Trauerhaus mit Kaffee, Wein, Wecken, Käse bewirthet und Abends mit etlichen Wecken in dem dazu mitgebrachten „Tüchle“ entlassen. Nach der Abendglocke kommen dann auch die einheimischen Verwandten, Nachbarn und Freunde zum „Leichentrunk“. Ist ein erwachsenes Mitglied der Gemeinde gestorben, so trauert in manchen kleinen Orten die ganze Gemeinde mit den Hinterbliebenen, indem sie 4 Wochen lang schwarz gekleidet beim Gottesdienst erscheint. In anderen Orten beschränkt sich die Trauer sei es um Erwachsene oder um Kinder auf die nächsten Anverwandten, Pathen und Nachbarn.

Im Gäu dürfen bei eingetretenem Trauerfall die nächsten Angehörigen ein Jahr lang nicht singen, also auch in der Kirche nicht; denn jeder Gesang wäre eine Beleidigung für die Todten. So lange eine Leiche im Hause liegt, darf kein Rad gehen, kein Wagen-, Karren-, Spinnrad u. dgl.

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0164.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)