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allen 36 Gemeinden, in denen Weinbau getrieben wird. Soll ein Weinberg neu angelegt werden, so wird der Boden zunächst 2–3′ tief rajolt und in einem Abstand von 3′ mit sog. Schnittlingen besetzt. Wurzelreben oder sog. Fechser werden selten benützt. Der junggepflanzte Stock wird 3–4 Jahre lang alljährlich oberhalb seines obersten Absatzes, ungefähr 2″ unter der Erdoberfläche zurückgeschnitten, was man abwerfen nennt. An dieser Stelle bildet sich durch dieses öftere Abschneiden ein größerer Knoten, Kopf genannt, und daher hat denn auch die hier gebräuchliche Kopferziehung ihren Namen. Hat nun dieser Kopf die Größe eines Hühnereies erreicht, was 6–8 Jahre in Anspruch nehmen kann, so läßt man eine Rebe stehen, im nächsten Jahre zwei, später auch einen Schenkel und so fort, bis der Stock so erstarkt ist, daß er zum normalen Ertrag angeschnitten werden kann.

Diese hier ausschließlich übliche Art der Erziehung nimmt durchschnittlich einen Zeitraum von 10–15 Jahren in Anspruch und nach dessen Verlauf steht der Weinstock erst in seinem vollen Ertrag; die vorherigen Erträgnisse sind sehr verschieden und durchschnittlich unbedeutend. Dagegen dauern bei dieser Erziehungsart und bei sonstiger guter Behandlung die Rebstöcke weit länger als hundert Jahre und man hat Beispiele von zweihundertjähriger Dauer. Ältere Weinberge, in welchen Stöcke aus Altersschwäche absterben, werden durch Ausbüsen (Ersetzen der ausgebliebenen Stöcke durch bewurzelte Fechser) noch lange Zeit erhalten.

Muß ein Weinberg Alterswegen ausgestockt werden, so wird er 10–12 Jahre lang in den meisten Fällen mit Luzerne angeblümt, damit er durch diese Kultur gekräftigt wird und dann wieder, wie Eingangs erwähnt, frisch angelegt.

An Traubensorten werden vorzugsweise gebaut:

a. als weißes Gewächs: der Östreicher (grüne Silvaner), der Junker (Gutedel), der Elbling und die Fleischtraube;

b. als rothes Gewächs: Süßroth, Grobroth oder Tauberschwarz, selten und erst in neuerer Zeit der Trollinger, Portugieser und schwarze Rißling.

Diese Sorten sind für unsere theilweise geringen Lagen und leichten Böden die geeignetsten und liefern wegen ihres eigenthümlichen guten Geschmacks einen höchst angenehmen, weit umher bekannten und beliebten bouquetreichen Wein.

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0203.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)