Seite:OberamtMergentheim0310.jpg

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Verstärkung aus der Stadt zu holen. Er ließ, da die Bauern in der Angst theilweise wieder nach der Stadt drängten, die Thore schließen, mit dem Befehl, sie nur den Königlichen Truppen wieder zu öffnen. Mittlerweile rückte deren Vorhut an; ein Theil der Bauern schoß auf sie, die meisten flohen, von den Reitern verfolgt. v. Hornstein ließ die Trommel rühren und gab mit dem Tuch ein Zeichen zum Parlamentiren, der Tambour ward an seiner Seite niedergeschossen, er selber gefangen genommen. Gegen 4 Uhr standen die Truppen, 2 Bataillone Linien-Infanterie, 2 Landbataillone, 2 Schwadronen und 4 Geschütze, vor der Stadt. Ehe der Thorwart am Boxberger und ein Mädchen am Wachbacher Thor öffnen konnte, wurden sie durch Musketenkugeln verwundet und die Thore eingeschlagen. In wildem Tumult ergoßen sich die Soldaten über die Stadt; ein vom Boxberger Thurm auf sie fallender Schuß steigerte ihre Wuth, die Stadt wurde wie ein mit Sturm eroberter fester Platz behandelt. Selbst den Herrn v. Maucler, der aus einem Fenster des Rathhauses den Anstürmenden zurief, daß sie die schuldlose Stadt schonen möchten, traf ein Streifschuß. Mit Raub und Plünderung wurde arger Unfug getrieben und in den umliegenden Dörfern fortgesetzt. Am 30. Juni traf als Generalkommissär Freiherr v. Reischach ein, ließ Stadt und Land entwaffnen, zahlreiche Geisel nach Heilbronn abführen und jeden Widerstand damit bedrohen, daß „das Dorf angesteckt und alle erwachsene männliche Seelen ohne Gnade und Barmherzigkeit niedergehauen werden sollen.“ Tags darauf kam noch ein Spezialkommissär, der Minister Graf Taube, mit der Belobung und den Auszeichnungen des Königs für die Truppen, sowie zur Leitung des bereits eingesetzten Martialgerichts. Noch an demselben und am folgenden Tag erließ dieses folgende, sofort vollzogene Strafurtheile: als Hochverräther sollten Franz Werner von Markelsheim mit dem Strang hingerichtet, Josef Heim und Paul Eichinger von da, sowie Peter Kilian, Lorenz Haun und Franz Schies von Oberbalbach erschossen werden, während Josef Lurtz von Rengershausen und Johann Fischer von Mergentheim zu lebenslänglicher, Andere zu zeitlicher Festungsarbeit verurtheilt wurden. v. Reuttner und v. Hornstein wurden, letzterer nach 6monatlicher Haft, des Landes verwiesen. Groß war auch der materielle Schaden für Stadt und Land: sie hatten 36.000 Gulden zu bezahlen und außerdem gibt eine Stadtrechnung den „Plünderungsschaden der Insurgenten, Einquartierungs- und Verpflegungskosten (abgesehen von den Quartieren bei den Einwohnern), Kosten für die ausgehobenen Geiseln, Untersuchungskosten etc.“ zu 12.683 Gulden 12 Kreuzer an. 1


Zur Heilung dieser Wunden war es vielleicht mehr förderlich, als hindernd, daß in den nächsten 6 Jahren die Kriegsnöthe mit den unendlichen Truppendurchmärschen fast nicht ausgiengen. Im Frühjahr 1812 zog die Armee mit Kronprinz Wilhelm durch Mergentheim Rußland zu. Im Herbst 1813, als Bayern sich von Napoleon abgewandt hatte, König Friedrich von Württemberg aber sich noch nicht entschließen konnte, ließ

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 310. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0310.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)