Seite:OberamtMergentheim0339.jpg

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Von diesem Thor aus führt rechts hin der Weg zum Schlosse und zum eigentlichen Eingang, der Thorfahrt. Über seinem Bogen prangt, großartig und wundervoll aus Sandstein gearbeitet, das von zwei Greifen gehaltene riesengroße Wappen des Deutschmeisters Maximilian Erzherzogs von Österreich.

Durch den Thorweg gelangt man in den zweiten Hof, der uns die inneren Seiten des Schlosses mit einfachen Steinkreuzfenstern zeigt; aber in drei Ecken, gegen Nordwesten, Südwesten und Nordosten, erheben sich steinerne Wendeltreppen, von denen die beiden ersten (nach Lübke, Geschichte der deutschen Renaissance S. 468) zu den größten Prachtstücken unserer Renaissance gehören. Die in der nordwestlichen Ecke zeigt „in der Spindel und den tauförmig gewundenen schlanken Säulchen, welche sie stützen, noch die Herrschaft mittelalterlicher Formen, aber das prachtvolle Ornament von Ranken, Köpfen u. s. w., das in geistvoller Zeichnung und meisterlicher Ausführung die ganze Unterseite der Treppe bedeckt, trägt das Gepräge der Renaissance“; man sieht in das Rankenwerk hinein verflochten Adler, Engelchen, Kaiserköpfe, Pferdchen, Vögel, Fratzen und Anderes und ganz oben an der Treppe die Jahreszahl 1524. Bei der zweiten in der südwestlichen Ecke aufsteigenden Wendeltreppe tritt das Mittelalter noch mehr hervor: „ihre Spindel ist ein kraftvoller runder Pfeiler, um den sich in wunderbar reicher Verschlingung ein markig profilirtes Rippengewölbe emporwindet. Man könnte auch diese Arbeit für eine mittelalterliche halten, wenn nicht an den Fußpunkten und den Durchschneidungen der Rippen lauter kleine Schilde (leider übertüncht) mit keck aufgerollten und zerschnittenen Rahmen angebracht wären.“ Eine dritte engere und einfachere Wendeltreppe steigt in der Nordostecke hinauf, und eine vierte erhebt sich außen an der Nordwestecke des Schlosses, in der Nähe des Thores, und tritt als runder Treppenthurm in den Graben vor.

Im Schloßhof stehen zwei laufende Brunnen, jeder mit je drei Speimasken an der Brunnensäule; auf einer das Standbild des Deutschmeisters Stadion, auf der andern das des Komthurs Eck. – Die Schloßkirche, deren Portal an der Ostseite des Schloßhofes liegt, wird sofort besprochen werden. Außerdem bietet das Schloß innen und außen nichts bemerkenswerthes mehr, als im Innern den schon oben genannten früheren Kapitelsaal aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts; am Äußern einen schönen Renaissancegiebel gegen Norden und

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0339.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)