Seite:OberamtMergentheim0381.jpg

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wie er über die Gasse gieng, konnte ich ihn gar nicht finden; ich sah wohl einen Geistlichen, etwa in der Gestalt eines Dorfvicarius, neben den übrigen Herrn zur Seite gehen, verwunderte mich aber, daß dieser – ich glaubte, er müßte etwas zu suchen haben – so ungenirt daher marschirte, bis ich endlich in dieser Figur Ihre Königl. Hoheit selbst gewahr wurde. Er trägt einen auf allen Ecken rund gequetschten Hut; die Haare sind äußerst dünn und unfrisirt, wenn er Gala macht, setzt er eine Perücke über die Haare. Dazu schwarze tuchene Weste und Hose, ein leifarbiger (schieferf.) Überrock, Stiefel und weiße abgetragene große Strümpfe. Täglich geht er vor und nach der Arbeit über die Straße und in der Gegend herum, spricht mit Jedem, der ihm vor oder in den Wurf kommt. Vorgestern hat er für sich zwei Reitpferde gekauft, das eine und das andere kosten – Sie werden es nicht errathen – 4 und 5 Karolin. Er ist ein großer Freund von Simplifizirung und in Ausführung des Satzes: frustra fit per plura ein wahrer nützlicher Philosoph. Alle Vorstellungen, mündliche oder schriftliche, nimmt er von jedem Unterthan selbst an. Auch dann, wenn er mit Unwahrheiten behelligt wird, läßt er den Remonstranten nicht bestrafen; durch eine solche Strafe, fürchtet er, möchte der Unterthan schüchtern werden und ferner nicht mehr zu ihm reden, wodurch ihm dann die Gelegenheit entzogen würde, die Wahrheit unmittelbar zu erfahren. Das Gerücht, als ob er ein Devotant und Freudenscheu oder Weiberscheu sei, ist wohl falsch. Er hat hier dem Frauenzimmer zwei Schlittenfahrten ohnlängst gegeben, die eine mit 13 und die andere mit 27 Schlitten. Er selbst hat vorher den Weg gebahnt und jeden Schlitten mit einem Dukaten bezahlt. NB! Er ist mit dem Civilstand gefahren und Erzherzog geblieben. Sieben Bälle hat er gegeben und ist auf allen selbst zugegen gewesen, hat Alle animirt, auch bis 1, 2 Uhr sich aufgehalten. Selbst die Exercitienbälle, welche in der Wohnung des Statthalters auf dem Schloß gegeben werden, hat er jedesmal besucht und ermuntert. Noch besonders hat er auch für die hiesige Bürgerschaft Bälle gegeben, welches alles das ihm nachgesagte devote Wesen nicht beweist. Dagegen ist er aber auch strenge, äußerst strenge in Forderung der Arbeiten . . Mit den Viktualien geht es hier wohl an, nur vermisse ich beim besten Weizenbrot unser Roggenbrot, welches man hier überhaupt unter dem Namen Pumpernikel verlacht. Der Wein, so hier gezogen wird, ist bloß weißer, nicht theuer, etwa zwischen 6 bis

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 381. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0381.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)