Seite:OberamtMergentheim0489.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

jenem reizenden Übergang vom strengen zum späten Stil mit all der lebenskräftigen Gliederung des alten, und all jener Freiheit des spätern Stiles und ergreift in seiner so ganz harmonischen Durchführung mit unwiderstehlicher Gewalt den empfänglichen Wanderer, der hinaufpilgert ins grüne Herrgottsthal und mitten in der Stille der Weinberge und Wälder dieses Kleinod mittelalterlicher Kunst betrachtet. Die Größe der Kirche ist mäßig, die Verhältnisse sind einfach; die innere Weite des Chors beträgt nicht ganz 8 Meter oder 28 württ. Fuß, die innere Länge des Schiffes beträgt das Doppelte, die äußere Gesammtlänge der Kirche das Vierfache. In den Fenstern hat sich noch das schöne Maßwerk, zum Theil schon mit Fischblasen, erhalten, die drei Portale sind mit Wimbergen und Baldachinen (mit Konsolen für Statuen darunter) glänzend geschmückt; die sechs Strebepfeiler, den Chor umgebend, unten einfach, endigen in spitze mit Blumen besetzte Giebel, die reich mit Skulpturen erfüllt sind; weiter unten standen früher auf Konsolen unter Baldachinen Statuen. Diese sechs Giebel zeigen verschiedene zum Theil abenteuerliche und räthselhafte Darstellungen, wie einen geigenden Engel, darunter einen Steinmetzen mit aufgehobenem Hammer, gegen den ein Hund die Pfote erhebt, dann einen Engel mit aufgeschlagenem Buch, in der Mitte zwei Affen, unten ein Leopard und an einem der südlichen Giebel einen Engel, der mit einer Krone in den Händen das Hohenlohische Wappen krönt, zu dessen Seiten je ein Engel als Schildhalter.

An der Südseite tritt am Choranfang jenes sehr zierliche achteckige Wendeltreppenthürmchen heraus, oben mit schön durchbrochener steinerner Altane, an der unten wasserspeiende Thiere keck hinausspringen, und von der einst dem Volk Reliquien herabgezeigt wurden; ganz ähnliche Thürmchen sind an der Bergkirche bei Laudenbach und an der Marienkirche in Würzburg. An dem Thürmchen sieht man drei schön ausgehauene Köpfe, das Haupt Christi, zu Seiten die der beiden Johannes. Der Sage nach soll von dieser Altane herab der Dominikanermönch Tetzel den Ablaß verkündigt haben; das Thürmchen heißt deshalb im Volksmunde die Tetzelkanzel. Die Westfront der Kirche hat hoch über dem schönen Portal ein auf das Zierlichste mit Fischblasenmaßwerk durchbrochenes Rundfenster und darüber einen schönen steinernen Glockenerker.

Im Innern übersprengt die hoch im Rundbogen gewölbte hölzerne Decke, noch aus der Zeit der Erbauung, das 44 Fuß

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 489. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0489.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)