Seite:OberamtMergentheim0547.jpg

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oder Vögelkapitellen starke halbrunde Rippen, die in zwei Schlußsteinen (mit Rosetten) zusammenlaufen. Die auf den Konsolen aufsitzenden Säulen haben Wirtel, die Basis der auf dem Boden beginnenden ist attisch-weich, mit hübschen Eckblättern. Überhaupt ist Ornamentik und Gliederung voll, fleischig, scharf und edel, mehr fränkisch als rheinisch, und wetteifert an Schönheit mit den trefflichsten Übergangsbauten, z. B. in Maulbronn. An der Nordwand des Chores sieht man ein beschädigtes spätgothisches Sakramenthäuschen, woran zwei Engel die Monstranz halten.

Die jetzt der Gemeinde als Kirche dienende Unterkirche hat schon ganz gothisches Gepräge und scheint zuletzt fertig geworden zu sein. Schlanke achteckige Pfeiler, auf denen die Kreuz- und Querrippen über leichten Kämpfern ansetzen, theilen den Raum in drei lange Schiffe; in den drei östlichen Gewölbefeldern erscheinen drei schöne Schlußsteine; auf dem mittleren sieht man das Lamm Gottes, auf denen zu Seiten umhergereihte Blätter. Dieser höchst ansprechende und anmuthige Raum ist jetzt weiß getüncht, enthält einige Grabplatten aus neuerer Zeit, ohne Bedeutung, und auf dem Altar ein Gemälde: neben einem älteren Christus am Kreuz sind unkünstlerisch gemalt Isaaks Opferung und die Erhörung durch die eherne Schlange, unten knieen zwei Stifter mit massenhaft Kindern, dabei liest man „Barbara Birnerin“. Neben dem Altar stehen zwei ziemlich altgothische, gute fast lebensgroße Holzfiguren, Madonna mit dem Kind und ein Bischof – ein weiterer, beschädigter hinten an der Westwand der Kirche.

Von den drei Glocken auf dem unschön dem Chor aufgesetzten hölzernen Dachreiter hat die größte die Umschrift: Umgegossen unter Friedrich M. z. B. 1750. Auf der zweiten steht: Was nur kann, stimme an, daß Jehovah werd erhöht. 1750. Auf der dritten 1831 von J. G. König in Langenburg umgegossenen Glocke steht ferner: Ehre sei Gott in der Höhe etc. und „zum ehrenden Andenken der königlichen Gnade“. – Die Kirche diente lange Zeit den Grafen von Hohenlohe-Brauneck als Familienbegräbnis; leider wurden ihre Grabmäler von einem würzburgischen Verwalter zu Anfang des 18. Jahrhunderts zerschlagen und verwendet. Im Jahr 1879 fand man in der Gruft drei wohlerhaltene mumificirte Leichen, doch erst aus dem Jahr 1677 stammend.

Die Unterhaltung der Kirche ruht auf der Stiftungspflege.

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 547. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0547.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)