Seite:OberamtMergentheim0669.jpg

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Portal sich befindliche Rundfenster des Achtecks und um das wirksame Kranzgesims desselben. Wandbänder gliedern Achteck und Thürme, Halbsäulchen die Chorabside, tiefe, in der Mitte von einer Säule getheilte Bogenfenster das oberste Stockwerk des Thurmes; Alles trotz der ausnehmenden Härte des Bausteines (löcheriger Muschelkalkdolomit) mit großer Schärfe und Sicherheit gearbeitet.

Die so reich gegliederte Ostseite der Kirche steckte bis auf die jüngste Zeit bis an die Fensteröffnungen im Schutt, hatte daher ihre Wirkung beinahe verloren; man mußte tief hinabgraben, bis der rings um das Gebäude laufende wohlgebildete Sockel, der geschmackvolle Tragstein des Erkerchörchens und die Füßchen der Wandsäulen der Chorabside mit ihren graziösen, immer wechselnden Eckblättern sich zeigten, bis dieser ganze Theil des Gebäudes seine richtigen Verhältnisse und seine monumentale Würde zurückbekam. Auch gelang es, noch ein großes Stück von dem verschwunden gewesenen, auch reich diamantirten steinernen Dachgesimse der Chorabside zu finden, so daß sich jetzt, im Geiste wenigstens, das Bauwerk in allen seinen Formen wiederaufrichten läßt, bis vielleicht einmal ein gütiges Geschick seine vollständige Wiederherstellung ermöglicht und dadurch einen baulichen Eindruck schafft, der zu den reizendsten und eigenthümlichsten unseres Landes gehört.

Auf dem Boden des Chors liegt ein sehr alter mit rauhgeschafftem erhabenem Kreuz versehener Grabstein eines Geistlichen. Am Chorstuhl die Wappen von Ansbach und Seckendorf und die Jahreszahl 1569, sowie das Zeichen des Verfertigers J. V. S.

Auch fand sich an der breiten Leibung des Triumphbogens, nachdem wir die Tünche abgeschlagen, ein schönes reiches spätgothisches Rebengewinde noch wohl erhalten angemalt. – Auf dem Altar ein frühgothischer in Holz geschnitzter Krucifixus mit großem Schurz, gekreuzten Füßen, alterthümlichem Haupt.

Die Glocken auf dem Thurm sind aus neuerer Zeit. Die Unterhaltung der Kirche ruht auf der Gemeinde Standorf. In der Nähe der Kirche beim Ulrichsbrunnen soll ein Schlößchen, wahrscheinlich Pfarrhaus gestanden sein, an dessen Stelle man noch auf Mauerreste stößt.

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 669. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0669.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)