Seite:OberamtMergentheim0790.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Landschaft, jener weist auf einen Ameisenhaufen, worauf ein Buch mit der Schrift: „FaVLer, geh zVr AMeIsen, Lerne DoCh arbeIten“ (1712).

Der Schloßgarten wurde unter Graf Karl Ludwig angelegt und zwar im großen Stil nach architektonischen Linien und Gruppen, wobei die an sich unbedeutende Aussicht (gegen Süden) trefflich maskirt wird. Er bildet ein großes ummauertes Rechteck, die obere Schmalseite nimmt das imposante hier dreigiebelige, in der Mitte von den kolossalen Steinkreuzfenstern des großen Saales durchbrochene Schloß ein; die beiden Langseiten des Gartens sind eingerahmt durch zwei dichtschattige alte Laubgänge aus Kastanienbäumen auf etwas höherem Boden. Die vierte Seite endlich, mit einem Durchblick gegen das Thal hin, wird gebildet durch die ehemalige Orangerie, ein prächtiges in der Breite des Gartens sich hinziehendes Gebäude; nach diesem heraus schön und klar gegliedert durch Bögen und jonische Pilasterstellungen, gegen den freien Durchblick in der Mitte sich einrundend und mit je sechs vorgestellten Säulen belebt. Oben schöne Balustraden, Obelisken, Vasen, gegen die Mitte hin Göttergestalten.

Solche steinerne Götterbilder stehen auch in Menge im etwas vertieft liegenden ganz ebenen Garten an den gerade und rund hinlaufenden Wegen. Leider fehlen jetzt die Wasserwerke des Gartens; inmitten war ein weites rundes steinernes Becken mit Wasser gefüllt und die darin liegenden Figuren ließen Wasserstrahlen hoch emporschießen. Jetzt ist es mit Erde gefüllt und trägt Rosenbäumchen, zwischen denen die Steinfiguren noch zu sehen. Weiter unten ging querüber ein länglicher Teich und dahinter, gerade vor dem von Säulenreihen begleiteten Durchblick, erhob sich das große Reiterstandbild des Grafen Karl Ludwig; dies ist jetzt verschwunden, der Teich ausgetrocknet und bestockt. Aber die blauen Spiegel jener Bassins und die rauschenden glitzernden Wasserstrahlen waren gar wohl berechnet zum Rasengrün und den Blumen des Gartens, zu den dunklen Laubbäumemassen auf beiden Seiten und den edel heiteren Hallenformen der Orangerie, durch welche das Rebenthal der Tauber bläulich hereinschimmert. Verschwunden sind auch die Taxushecken, Pavillons, Glashäuser und Grotten, – aber noch heute macht der Garten mit seinen Gewächsen, Statuen, Architekturen und Baumwipfeln einen unvergeßlichen Eindruck.

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 790. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0790.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)