Seite:OberamtMergentheim0802.jpg

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waren aus dem Braunschweigischen; die Bretter wurden aus Kronach in Bayern, das Eisen aus Suhl bezogen. Kaum glaublich erscheint die Wohlfeilheit von Material und Arbeit. Ein Steinmetz erhielt für den Schuh behauener Sandsteine 4 Kreuzer, von einer schuhdicken Mauer kostete die Ruthe 40 Kreuzer, ein Schock Bretter, je 10 Schuh lang, nach Ochsenfurt geliefert, wurde mit 2 Gulden bezahlt. Übrigens fehlte es dem Grafen Wolfgang nicht an den Widrigkeiten, welche jeder Bauherr zu erfahren hat. Unter Anderem erbot sich ein Steinmetz Philipp von Stade, nach Muster 6 Löwenköpfe zu hauen, brachte jedoch an diesen närrische Gesichter heraus, „welche nie keinem Löwen ähnlich gesehen.“ Der Graf wurde zornig, übernahm sie nicht, der Steinmetz aber lief unter Schelten und Schimpfen auf den Grafen und Meister Servatius davon nach Rothenburg. Als er von da nach Weikersheim zurückkehrte, wurde er etliche Tage ins Gefängnis gelegt und nach Widerruf und Abbitte entlassen. Zur Sommerszeit von Petrus- bis Gallustag erhielt damals ein Maurer bei 12 Arbeitsstunden 15 Krzr. zum Lohn. Ein solcher aus dem Schwarzburgischen nun verleumdete gar den Grafen, als lasse er die Uhr jeden Abend verrichten, daß sie zu spät 7 Uhr schlage. Auch die Schloßkapelle wurde von Graf Wolfgang eingerichtet, wie er schon zuvor die Stadtkirche, deren Thurm sehr beschädigt war, einer Reparatur unterworfen hatte. 1

Graf Wolfgang übte in seinem Schloß zu Weikersheim eine ausgedehnte Gastfreundschaft; seine Korrespondenz ist voll von Einladungen an edle Herren, Freunde und Bekannte. Am 14. Januar 1596 beherbergte Schloß Orient den Kurfürsten Friedrich von der Pfalz und dessen Gemahlin mit einem Gefolge von 300 Pferden auf der Durchreise nach Amberg. Bei damaliger Beschaffenheit der Verkehrswege und -mittel hatte die Hofhaltung bedeutende Schwierigkeiten, denn es mußten sehr viele Bedürfnisse aus entlegenen Handelsplätzen bezogen werden. Alljährlich giengen nach Frankfurt und Nürnberg zur Frühlings- und Herbstmesse Leute von der gräflichen Dienerschaft, um von ersterem Platze theils Küche- und Tafelartikel, Limonen, Pfeffer, Zucker, Hausblasen, Oliven, Kapern, holländischen Käse, theils Haushaltungsgegenstände, wie Siegellack und Bürsten, theils Kleidungsstoffe, besonders Seidenzeuge, sogar Faden und Schnüre, theils Bücher einzukaufen, während von Nürnberg Metall jeder Art, von Glocken und Waffen bis zu Knöpfen und Stiften herab, Pergament,

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 802. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0802.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)