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hatte seinen Sitz, jahrweise mit Neuenstein abwechselnd, in Weikersheim. Es war erste Instanz für die dem Orts- oder Untergericht nicht Unterworfenen, z. B. die gräflichen Beamten, und Apellationsinstanz für alle Unterthanen in Sachen, deren Streitwerth sich über 20 Gulden belief. Von ihm konnte in Streitsachen über 150 Gulden Werth an das kaiserliche Kammergericht appellirt werden. Das Untergericht bestand aus dem Schultheißen oder dem Vogt als Stabhalter, 12 ehrbaren Schöffen und dem Gerichts- oder Stadtschreiber. Es hielt jährlich 4 Sitzungen, eine außerordentliche Sitzung kostete 1 Gulden. – Stadt und Amt verwalteten am Anfang des 19. Jahrhunderts ein Amtmann mit dem Titel Justizrath, ein Ökonomie- und Forstrath, ein Steuer-Sekretär, ein Ballei-Kommissarius, ein Marschkommissarius und Centgraf, ein Stadtschreiber, ein Zollinspektor, ein Amtsburgermeister, ein Kellermeister, ein Kanzleibote; auch gab es einen israelitischen Kommissions-Sekretär und einen desgleichen Hoffaktor. W. F. 9, 130. – Weiteres zur Justiz- und Polizeiverwaltung, Sitten- und Kulturgeschichte in Weikersheim von † Dekan Mayer s. in der Zeitschr. d. hist. Ver. f. d. württ. Fr. 1853, S. 85 ff. und Bd. 5, S. 233 ff. Wir entnehmen den Notizen des fleißigen Sammlers Folgendes:

Bevölkerung. Juden waren aller Wahrscheinlichkeit nach in den älteren Besitzungen der Herren von Hohenlohe angesessen. W. F. V, 378. 379. Aber 1455 wurde in einer Erbeinigung der Grafen Kraft und Albrecht verglichen, daß keiner ohne des andern Wille Juden einnehmen solle. 1475 und 1511 wird dies bestätigt: namentlich soll es für Weikersheim gelten. V, 379. Doch kommt schon im 16. Jahrh. „Judengerch“ als Name einer Lokalität vor. 1622 bitten 2 Juden von Hanau, hier ein Geschäft für den Hof und die Bürgerschaft errichten zu dürfen gegen Vorstreckung von 3000 Reichsthalern. Seit 1730 haben sie einen eigenen Begräbnisplatz.

Manche Einwanderungen aus andern Ländern. Die Herrschaft hatte Diener aus Böhmen, Sachsen etc. W. F. 9, 232. Außerdem vgl. W. F. 1853, S. 87. 2 böhmische Pfarrer, Krig und M. Jerem. Slovacius genannt, Anno 1626 ff. 1634 Flüchtige aus der Pfalz. 1650 f. Flüchtige aus Östreich; ebenso 1714 ff. 1680 Salzburger, wieder 1749. 1733 refugiés aus Frankreich.

Auswanderung aus dem Amt Weikersheim im 18. Jahrh. nach preuß. Litthauen. W. F. 9, 235.

Unter Goethe’s Ahnen mütterlicherseits sind auch Hans Weber (Textor) und Jörg Weber, der gnädigen Herrschaft Lakay, u. A. in Weikersheim genannt. W. F. 5, 390. 9, 423.

Weinbau. 1219. erstmalige Nennung von Weinbergen. U.B. 3, 92 f. 99. „4 Morgen Weinberg im alten Berg“ 1323. Weinberge in der Hart, im Löhlein, im Egelsee, und im Molach. Mon. boic. 39, 221. Weiteres W. F. VI, 122. VIII, 563.

Rothes Gewächs, wie es scheint, erst seit 1614 auf den Höhen, nicht aber in den mittlern und untern Schlägen zu pflanzen erlaubte. W. F. VI, 122.

1482 kostet das Fuder Wein 12 fl. (1 Fuder = 12 Weikersh. Eimer à 60 Maß, also ungefähr 14 Hektoliter).

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 805. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0805.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)