Seite:OberamtNeresheim0260.jpg

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Thurm empor. Namentlich die breite mit Trottoir und Kandeln besetzte Hauptstraße macht einen entschieden städtischen Eindruck, weil sie zumeist von mehrstöckigen, oft im französischen Rococostil erbauten Häusern besetzt ist. Die übrigen Straßen sind krumm und eng und nicht immer ansehnlich.

Die Kirche zu St. Johann dem Täufer steht über 6 Staffeln erhöht mitten im Ort an der Egau, die an ihrer Westseite vorbeifließt, und ist von Lindenbäumen umgeben. Im Jahre 1769 wurde der Grundstein gelegt und am 4. August 1771 war der im Rococostil gehaltene Bau unter Leitung des Baumeisters Dossenberger soweit gediehen, daß er eingeweiht werden konnte. Außen wirkt er nur durch seine Größe und seinen sehr hohen, in ziemlich reinen Renaissanceformen sich aufbauenden, mit einer Zwiebelkuppel endigenden Thurm, der an der Südseite des geradgeschlossenen Chores sich erhebt. Das Innere, 140 Fuß lang, 66 Fuß breit, mit 1100 Sitzplätzen und zwei Emporen, ist nach ähnlichen Grundsätzen, wie die herrliche Kirche auf Schloß Neresheim erbaut, nämlich mit großen sich ein- und ausschwingenden Flächen, um die möglichste perspektivische Wirkung zu erreichen; aber es geschah nicht in so feiner Weise, wie dort, und daneben wurde durch Häufung von korinthischen Pilastern, Stuckzierden u. s. w., zwischen denen riesige Fresken erscheinen, eine ziemlich unruhige, schwülstige Pracht entfaltet. Die Kirche besitzt drei schöne große Zopfaltäre mit ansprechenden Ölgemälden, das kolossale des in Augsburg verfertigten Hochaltares stellt die Taufe Christi dar. Die Beichtstühle sind gut geschnitzt. An der Brüstung der Kanzel, die der Neresheimer Baudirektor Thomas Scheithauf (mit einem Aufwand von 425 fl.) verfertigte, ziehen sich Stuckreliefs hin. Die Orgel mit 18 Registern und 2 Manualen erbaute Joseph Heß von Ochsenhausen im Jahre 1782 um 1100 fl. Die vier Glocken auf dem Thurme wurden im vorigen Jahrhundert in Lauingen gegossen. Die Unterhaltung der Kirche ruht auf der Gemeinde.

Der Friedhof wurde 1766 außerhalb des Ortes angelegt und 1852 vergrößert.

Das Kaplaneihaus, hoch und schmal und in französischem Rococostil gehalten, liegt in einem Garten und wurde 1727 aus dem Fonds der St. Gotthardspflege erbaut. Das jetzige Pfarrhaus, vom Jahre 1828, wurde 1858 gegen das alte unansehnliche, in der Nähe der Kirche stehende vertauscht; es besitzt seinen eigenen Baufonds.

Das 1853 erneuerte Schulhaus enthält nur die Wohnungen der drei Lehrer, zweier Schulmeister und eines Lehrgehilfen.

Das Rathhaus, ein altes sehr ansehnliches Gebäude mit einem Glockenthürmchen auf dem Firste, enthält drei Schulzimmer, eine Raths- und Registraturstube und die Wohnung des Schultheißenamtsgehilfen.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Neresheim. H. Lindemann, Stuttgart 1872, Seite 260. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtNeresheim0260.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)