Seite:OberamtNeresheim0313.jpg

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Jörg Beckh, † 1611, 87 Jahr alt, und seiner beiden Hausfrauen, dann das des Hans Algeer, † 26. Oktober 1615. Auf dem fünfstockigen, 90′ hohen, in den zwei untern Geschossen sehr alten und aus Buckelsteinen errichteten Thurm hängen zwei Glocken, die größere mit der Umschrift: Wolfgang Neidhardt in Augspurg gos mich Anno domini 1612; auf der kleineren steht in altgothischen, fast noch ganz lateinischen Majuskeln: Ave Maria. Lucas. Marcus. Matheus. Der Thurm endigt in zierlichen backsteinernen Achtecksgeschossen. Die Unterhaltung der Kirche ruht auf der Gemeinde.

Außer der Pfarrkirche zu St. Michael bestand noch im unteren Theil des Dorfs die Kirche zu St. Peter, die aber schon längst abgegangen ist; der sog. Kappelbauer hat von ihr seinen Namen.

Das freistehende, zweistockige alte Pfarrhaus liegt nahe bei der Kirche; es wurde 1824 vergrößert und war von dem Hospital Nördlingen zu unterhalten; die Baulast hat jetzt die Gemeinde. Das Schulhaus, welches früher ebenfalls die Stadt Nördlingen aus Hospitalmitteln zu unterhalten hatte, enthält ein Lehrzimmer und die Wohnung des Schulmeisters. Ein Rathhaus ist nicht vorhanden und der Gemeinderath hält seine Sitzungen in einem gemietheten Zimmer im Gasthaus. Ein Armenhaus besteht.

Früher hatte der Ort zuweilen Wassermangel, dem durch die Anlage einer Wasserleitung im Jahr 1865 abgeholfen wurde; es bestehen jetzt 5 laufende und viele (längst vorhandene) Pumpbrunnen. Zu gleicher Zeit wurde eine Wette, die von dem Ablauf der Brunnen gespeist wird, angelegt. Überdieß fließen über die Markung der Schellengraben und der Rößlesgraben. Etwa 1/4 Stunde nordöstlich vom Ort bestand ein 10 Morgen großer, jetzt trocken gelegter Weiher.

Die Einwohner sind im allgemeinen gesund, kräftig und hinsichtlich der Körpergröße gehören sie zu den ansehnlicheren im Riese; epidemische Krankheiten kommen nie vor und in der Regel erreichen die Einwohner ein ziemlich hohes Alter; gegenwärtig ist nur eine Person über 80 Jahre alt. Man trifft gute Geistesanlagen, viel Fleiß, Sparsamkeit und kirchlichen Sinn; dagegen spielt der Aberglaube noch eine bedeutende Rolle, überhaupt herrschen hier noch manche Eigenthümlichkeiten in Sitten und Gebräuchen (s. hier den allg. Theil).

Haupterwerbsquellen sind Feldbau und Viehzucht, während die Gewerbe, von denen das der Weber am meisten vertreten ist, nur den nöthigsten örtlichen Bedürfnissen dienen; eine Bierbrauerei besteht und ein Fruchthändler wohnt im Ort, der in der Umgegend Getreide aufkauft und im Unterland absetzt. Die Vermögensverhältnisse gehören zu den guten; der vermöglichste Bürger besitzt 80 Morgen, der sog. Mittelmann 15–20 Morgen und die unbemittelte Klasse 2–3 Morgen Grundeigenthum. Gegenwärtig erhalten nur 3 Personen Unterstützung von Seiten der Gemeinde. Seit der im Jahr

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Neresheim. H. Lindemann, Stuttgart 1872, Seite 313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtNeresheim0313.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)