Seite:OberamtNeresheim0344.jpg

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erneuerte Innere enthält einen alten achteckigen Taufstein, eine alte Pieta und an der Orgelemporenbrüstung ein schöngeschnitztes Holzgeländer in edlem Rococostil. Innen und außen an der Kirche stehen Grabsteine, aus dem Beginn des 17. Jahrhunderts. Der an der Nordseite sich erhebende Thurm bildet mit seinem untersten rippenkreuzgewölbten Geschoß eine schöne gothische Kapelle, die gegen Osten einen steinernen Altar enthält und darüber sieht man noch gut gemalte spätgothische Fresken, Heiligenbilder und Arabesken, mit der Jahreszahl 1512. Auf dem Thurm hängen zwei Glocken, die größere mit der Umschrift in gothischen Minuskeln: Cristof glockengiser zu norinberg gos mich. amen. zu gottes lob und ehr gehor ich. Die andere: Joh. cristof glockengiser zu norinberg gos mich 1561. zu gottes lob gehor ich.

Die Unterhaltung der Kirche ruht auf der Gemeinde.

Ganz am Nordostende des Dorfes liegt auf leichter Anhöhe, von dem ummauerten protestantischen Friedhof umgeben, das aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammende Martinskirchlein. Man genießt von hier aus eine weite und gar liebliche Aussicht in das mit einem Kranz von weichgeformten, mildblauen Bergen umschlossene Ries, aus dem sich das schöne Nördlingen und das Felsenhaupt des Wallersteins stolz erheben.

Das Kirchlein zerfällt in das ziemlich kurze flachgedeckte Schiff und in den gleich breiten quadratischen Chor, der von einem Rippenkreuzgewölbe übersprengt und von vier über Eck gestellten Strebepfeilern gefaßt wird. Der Schlußstein des Chorgewölbes zeigt ein Agnus Dei. Höchst merkwürdig sind die zwei noch aus der Zeit der Erbauung stammenden sehr schmalen und tief eingeschrägten Fensterchen gebildet, sie zeigen im vollsten Sinn den Übergang von dem romanischen in den gothischen Stil; denn das daran auftretende einfache gothische Maßwerk nimmt noch die ganze Tiefe der Fensterleibung ein; das südliche Fenster schließt im Kleeblatt, das östliche besteht aus zwei sich mit den Spitzbögen überschneidenden Fensterchen. Der auf dem Chorgiebel sitzende steinerne Dachreiter ist auch noch in alten Formen aufgeführt. Unten am südöstlichen Strebepfeiler des Chörchens entdeckte man den römischen Denkstein, und es scheint, daß die großen Fundamentsteine der drei übrigen Strebepfeiler auch noch römischen Ursprungs sind (s. unten).

Die Unterhaltung des Kirchleins ruht auf der Gemeinde.

Die im allgemeinen körperlich wohlgestalteten, gesunden Einwohner erreichen nicht selten ein hohes Alter und gegenwärtig sind 10 Personen 80 Jahre und darüber alt; ihre Haupterwerbsquellen bestehen in Feldbau, Viehzucht, Handwerken und Taglohnarbeiten. Die vorhandenen gewöhnlichen Handwerker treiben meist nebenbei auch Landwirthschaft und dienen mit wenig Ausnahmen nur den örtlichen Bedürfnissen;

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Neresheim. H. Lindemann, Stuttgart 1872, Seite 344. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtNeresheim0344.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)