Seite:OberamtNeresheim0366.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Konsolengesimse geht über den Freisäulen und rings über den Pilastern hin und ladet so stark aus, daß man bequem darauf gehen kann. Auf der freivortretenden 17′ tiefen Westempore steht das großartige Orgelwerk, dessen schöne Fassung sehr geschickt mit dem Gebäude selbst zusammengestimmt ist und zwischen sich die zwei Fensterreihen der Fassade frei läßt. Die Orgel, mit 55 Registern, wurde von Orgelbauer Joh. Nep. Holzhay von Ottobeuren gefertigt und im Jahre 1796 vollendet.

Die Fresken in den sieben Kuppeln, die so wesentlich zum Eindruck des Ganzen beitragen, wurden gemalt von Martin Knoller aus Steinach in Tyrol in sechs Jahren und 1775 vollendet; der Meister soll in diesen sechs Jahren nur 21 Monate und 17 Tage gearbeitet und für jede Stunde einen Dukaten erhalten haben. Knoller war, ehe er nach Neresheim kam, Hofmaler bei dem Statthalter von Mailand, dem Grafen Karl von Firmian, einem großen Kenner der Künste und Wissenschaften, der ihn in seiner Jugend zu weiterer Ausbildung nach Salzburg und Wien geschickt hatte. Von da ging Knoller nach Rom, wo er in der dortigen Malerakademie nicht nur Schüler der bedeutendsten damaligen Künstler, z. B. eines Rafael Mengs, war, sondern auch selbst Lehrer wurde. Vor seiner Ankunft in Neresheim bemalte Knoller die Gnadenkapelle in Ettal in Bayern, und im Jahre 1773, also zwischen seine hiesige Thätigkeit hinein, den Bürgersaal in München. – Die riesenhaften, schönfarbigen und figurenreichen Fresken zeigen uns einen Meister von der höchsten Gewandtheit, der die großen technischen und künstlerischen Hilfsmittel seiner Zeit vollkommen beherrschte; sie sind schön und frei in der Komposition, in der Zeichnung trefflich und trefflich in der Farbe. Nur an dem ganz großen Bild in der Hauptkuppel verwirrt einigermaßen die ungeheure Menge der Gestalten; aber auch dieses dem damaligen Geschmack huldigende Werk mit allen seinen ins Unendliche verlaufenden Hintergründen, seinen Emporschwebungen und Gruppirungen ist doch mit bewunderungswürdiger Meisterschaft geordnet und durchgeführt, und wir bekommen hier wieder einen außerordentlichen Begriff von der Kunstfertigkeit der Maler des vorigen Jahrhunderts (über die einzelnen Gemälde s. u.).

Ähnlich vortrefflich sind die in der Kirche reichlich und mit großem Verständniß vertheilten Stuckaturen von der Hand des Thomas Scheithauf aus Raistingen in Bayern, die nichts weniger als zopfig, sondern von edler, gediegener, gesunder Bildung sind und sich den Formen des Bauwerkes trefflich anschmiegen; besonders reizend sind die vielfach angebrachten Engelchen. Dann die zwölf schönen Altäre aus farbigem Marmor und mit Stuckreliefs geschmückt; der hier verwendete Marmor wurde zumeist aus dem im Jahre 1712 eine halbe Stunde südlich von der Stadt entdeckten Marmorbruche

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Neresheim. H. Lindemann, Stuttgart 1872, Seite 366. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtNeresheim0366.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)