Seite:OberamtNeresheim0409.jpg

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Schloßberg.
Gemeinde III. Kl. mit 550 Einw., wor. 11 Ev. – Dorf, Filial von Flochberg; die Ev. sind nach Bopfingen eingepfarrt. 3 Stunden nordöstlich von der Oberamtsstadt und 1/4 Stunde südöstlich von Bopfingen gelegen.

Am südwestlichen Abhange des steilen freistehenden Schloßbergs, von dessen Kuppe die malerischen Ruinen der Burg Flochberg ernst herabschauen und eine wahre Zierde der Gegend bilden, liegt das kleine, unregelmäßig angelegte Dorf wie an den Berg hingeklebt; die durchaus kleinen sowohl im Äußern wie im Innern freundlichen reinlichen Häuschen sind alle weiß getüncht, meist mit grünen Fensterläden versehen und mit Ziegelplatten gedeckt; beinahe an jedem derselben ist ein bescheidenes Gärtchen angelegt oder doch ein kräftiger Hollunderstrauch gepflanzt. Schmale Fußsteige schlängeln sich von Häuschen zu Häuschen und eine Vicinalstraße verbindet den Ort mit Bopfingen und Flochberg, welch letzteres beinahe mit Schloßberg zusammenhängt.

Ein Schöpf- und ein Pumpbrunnen liefern gutes Trinkwassers, das jedoch in ganz trockenen Jahreszeiten zuweilen ausgeht.

Die Einwohner, ursprünglich aus Vagabunden bestehend, die sich zu Ende des vorigen Jahrhunderts hier ansiedeln durften (s. hierüber unten), sind aufgeweckte, technisch geschickte Leute mit guten Geistesgaben; in ihrem nicht unangenehmen Äußern unterscheiden sie sich strenge von den übrigen Bewohnern der Gegend, ihre scharf markirten Züge, blasse Gesichtsfarbe, etwas hervorstehende Backenknochen und ihr feuriger Blick verrathen Keckheit und Unerschrockenheit. Beinahe vor jedem Häuschen treibt sich, namentlich bei guter Witterung, eine Schaar Kinder, deren es viele giebt, halb, öfters ganz nackt munter herum und bei ihnen sitzen die meist mit Stricken beschäftigten Mütter, die, wenn sie über Feld gehen, die kleinen Kinder in einem Korb oder in einem Tuch auf dem Rücken tragen. Die Männer suchen ihr spärliches Auskommen durch Korbflechten, Bürstenmachen und viele durch Hausirhandel mit verschiedenen Gegenständen zu sichern; einige arbeiten als Maurer, Steinhauer, Zimmerleute, Musikanten, Taglöhner etc. außerhalb des Orts; überdieß sind im Ort die nöthigsten Handwerker (je ein Bäcker, Schuster, Schneider, Schlosser) vorhanden. Die schulpflichtigen Kinder besuchen die Schule in Flochberg und die evangelischen die in Bopfingen. Früher bestand die Haupterwerbsquelle der Schloßberger Freileute, wie man sie nannte und zum Theil noch nennt, im Bettel und in der ganzen Umgegend hatten sie die Ortschaften, in denen sie bettelten und hausirten, unter sich abgetheilt; keiner durfte es wagen in den Distrikt eines andern zu gehen und wenn sich ein Mädchen verheiratete, so trat ihr der Vater einen Theil seines Betteldistriktes als Heiratgut ab. Auch hatte sich ein Mann glücklich verheiratet, wenn seine Ehehälfte das Betteln gut verstand. Dieß

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Neresheim. H. Lindemann, Stuttgart 1872, Seite 409. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtNeresheim0409.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)