Seite:OberamtTuttlingen0274.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Konr. Müller, Stadtschultheiß Jäger, Stadtschreiber Hünlin und beide Bürgermeister, worunter Anton Teufel, aufs Rathhaus gefangen setzen, Pferde und Rindvieh der Bürger auf den Markt zusammen treiben, und nahm bei seinem Abzug nicht nur Vieh und Pferde, sondern auch die auf dem Rathhause Gefangenen als Geisel mit fort, den Amtskeller ausgenommen, welcher entwischte und sich 26 Stunden unter dem First des Rathhausdaches versteckt hielt. Die als Geisel abgeführten Vorsteher und Bürger endigten ihr Leben an der Pest in der Gefangenschaft zu Lindau, nur zwei blieben verschont. Ebenso jammervoll gieng es im Nov. zu. Zwar gab Aldringen der hochschwangeren Gattin des Amtskellers, dessen Kinder alle tödtlich krank darniederlagen, einen Lieutenant, um sie gegen Mißhandlungen zu schützen, ins Haus; allein dieser war unedel genug, dem Amtmann nicht nur seine 3 Pferde und 15 Stück Rindvieh, sondern auch das theils eingesalzene, theils im Rauch hängende Fleisch von 8 Schweinen und Alles, was ihm sonst gefiel, zu rauben. Als des anderen Tags sich Müller beim Aufbruche der Truppen aus seinem Verstecke hervorwagte, um nach den Seinen zu sehen, wurde er von den jungen Polaken, welche bei dem kaiserlichen Heerhaufen als Freiwillige waren, vollends ausgeraubt und unmenschlich gemartert, um Geld von ihm zu erpressen. Sie waren mit dem Regiment Isolani gekommen, das nebst etlichen Kompagnien Dragoner unter Oberstlieutenant Prevost den Nachtrab machte und die Bürger unter Mißhandlungen vollends ausplünderte. Doch betrugen sich Prevost und seine deutschen Dragoner weit menschlicher, als die Kroaten und Polaken. Müller berichtet selbst die teuflischen Martern, durch welche er von letzteren gezwungen wurde, ihnen auch den Sack voll Reichsthaler, den er in einer Mauer, und den Beutel voll Dukaten, den er im Abtritt verborgen hatte, zu geben. Die Bürger waren alle in die Waldungen entflohen, und als am 1. Dez. der Oberstlieutenant zum Abmarsch blasen ließ und viele Soldaten noch so mit den Weibern und Kindern verfuhren, daß man sie überall schreien hörte, ritt der brave Prevost auf des Amtskellers Bitte mit 9 Dragonern durch alle Gassen der Stadt und ließ die Nachzügler mit Schlägen hinaustreiben. Auf seinen Rath rief Müller, sobald alle Soldaten fort waren, im Hemde Weiber und Mädchen zusammen, um das dreifache obere Stadtthor zu verschließen und Brand zu verhüten, weil noch viele Brandhaufen von Wachfeuern in den Straßen lagen. Kaum waren die äußersten Thorflügel geschlossen, so kam

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tuttlingen. H. Lindemann, Stuttgart 1879, Seite 274. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtTuttlingen0274.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)