Seite:OberamtTuttlingen0522.jpg

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Gletscher einstens die höchste Höhe des Hohentwiel überragte und seinen Moränenschutt beim Abschmelzen auf dem Gipfel des Twiel liegen ließ; 2) daß sich der Gletscher zur Zeit seines Wachsthums so sehr mit abgesprengten oder abstürzenden Phonolithblöcken belud, daß die Moräne von nun an neben den alpinen Geschieben Klötze der Hegaugesteine führt, welche über 40 km. weit von dem Gletscher vertragen wurden. Glücklicherweise können die Hegaugesteine nirgends verkannt werden, wo man ihnen auch begegnet, und ob die Fundorte, wie z. B. Riedlingen, Ehingen, auch noch so ferne von der Heimat der Steine liegen, so bleiben sie deutlich erkennbare Wegweiser für den Marsch des alten Gletschers.

Der Arbeit des Gletschers am Vulkankegel verdankt der Hohentwiel ganz entschieden seine jetzige Gestalt; die Entfernung des früher den ganzen krystallinischen Kern umhüllenden Tuffes, die Bloßlegung der Südostwand, welche in erster Linie den Anprall des Gletschers nachweist, die Vertragung der kolossalen, mehrere Kubikmeter haltenden Phonolithklötze in der Richtung des Gletscherschubs sind hinlängliche Beweise der gewaltigen Veränderung, welche mit der äußeren Gestalt des Hohentwiel zur Gletscherzeit vor sich gieng.

Die tiefgreifende Veränderung des Klimas zur Gletscherzeit äußerte sich selbstverständlich in der ganzen organischen Welt. Während zur Zeit der vulkanischen Ausbrüche noch Zimmtbäume und Kampherstauden, Pappeln und Ahorn grünten, während der Riesenmolch und Schildkröten die Tümpel belebten, finden wir zur Gletscherzeit in dem Grund der Hegauhöhlen, wie z. B. im Keßlerloch bei Thayngen, die Reste des sibirischen Mammuts, des wollhaarigen Nashorns, des Renthiers und Bären, des Eisfuchses, des Alpenhasen, des Schneehuhns und anderer, heutzutage nur jenseits des Polarkreises befindlichen Geschöpfe. Bereits aber ist mit denselben der Mensch auf dem Schauplatz aufgetreten, in den Höhlen Schutz suchend vor der Unbill des Klimas und reiche Beute findend unter dem Wild, das nach dem Abschmelzen der Gletscher auf den feuchten Grasgründen Oberschwabens sich mehrte. Von wo der erste Mensch herkam, wird stets nur Vermuthung bleiben; doch scheinen seine spärlich genug hinterlassenen Spuren auf denselben Weg zu weisen, den der große Strom der Gewässer machte. Donauaufwärts vom sagenreichen Pontus her versuchten die ersten Zuwanderer in Europa das aus Eis und Schnee neu erstandene Land ein Stück um das andere kennen zu lernen und

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tuttlingen. H. Lindemann, Stuttgart 1879, Seite 522. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtTuttlingen0522.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)