Seite:Oberamt Aalen 195.jpg

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reichsständischen Besitzungen verwendet zu werden, und zwar gehörte Aalen zu den für den Herzog von Württemberg vorläufig bestimmten Entschädigungen. Dieser – gleich andern Fürsten – wartete jedoch nicht, bis den 25. Februar und 24. März 1803 der Reichsdeputations-Hauptschluß vom Reichstage genehmigt und den 28. April vom Kaiser bestätigt war, sondern am 7. September 1802 schon erschien der Besitzergreifungscommissär, v. Reischach, und am 9. Sept. eine Kompagnie Infanterie. Das eigentliche Besitzergreifungspatent ist datirt von Ludwigsburg den 23. Nov., am 24. Nov. wurden überall die württembergischen Wappen angeschlagen und ein herzogliches Oberamt eingerichtet. S. Theil A, VII.

Es wurden nun von der Organisationscommission die Einkünfte und Besitzungen der Reichsstadt ausgeschieden, wie weit sie als staatlicher Natur von Württemberg angesprochen, oder als städtischer Natur der Stadtgemeinde bleiben sollten, welche zugleich eine neue Verfassung erhielt, nach welcher unter vorwiegendem Einfluß des Oberamtmanns und des Stadt- und Amtsschreibers als Actuar, einem Gerichtskollegium aus zwei Bürgermeistern und acht Gerichtsverwandten und einem Rathscollegium aus acht Mitgliedern die Verwaltung übertragen wurde.

Diese Stadtverfassung blieb bis zu den spätern, unter der Regierung des Königs Wilhelm eingetretenen allgemeinen Reorganisationen; gegen die frühere Vermögensausscheidung aber erhob die Stadt ihre Stimme und im Mai 1823 kam es mit einer königl. und ständischen Commission zu einem Vertrag, durch welchen der Stadt 4000 fl. Schulden (nebst einer verhältnißmäßigen Summe von den Gebietsorten, siehe Regbl. von 1824, S. 604) abgenommen und eine weitere Revenue von 700 fl. jährlich, auch der Stiftungspflege eine von circa 25 fl. 40 kr. zurückgegeben wurde.

Sonstige interessante Ereignisse hat die Stadt inzwischen nicht erlebt. Nur ihr Wahrzeichen, ihren weitberühmten Spion hat sie, bei der Reparation des Rathhauses 1836, – aus falscher Prüderie Einzelner – verloren. Der wahre Spion Aalens nämlich – welchen erst die böse Welt zu einer (mythischen) Person gemacht und ihm eine Anekdote treuherziger Einfalt nacherzählt hat – ist Niemand anders gewesen als im Uhrthürmchen des Rathhauses ein Mannskopf mit Pfeifchen im Munde, der vom Perpendikel in Bewegung gesetzt, beständig rechts und links sich drehte und also – umherspionirte. Dieser allein ächte Spion ruht jetzt in der Rathhausregistratur im Winkel aus. Die Sage vom andern Spion ist in seiner angeblichen Heimath ziemlich unbekannt, und es fühlt sich deßwegen auch das Ehrgefühl der Städter durch seine Erwähnung nicht empfindlich verletzt.

Empfohlene Zitierweise:
: Beschreibung des Oberamts Aalen. J. B. Müller's Verlagshandlung, Stuttgart 1854, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Aalen_195.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)