Seite:Oberamt Blaubeuren 180.jpg

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Ulm und Nellingen, die Pfarrey Deckingen und das Spital Geislingen den großen und kleinen Zehnten.

In ältern Zeiten wurde gemeiniglich Nallingen geschrieben; die Verwandlung des a in e kommt auch sonst häufig vor. N. ist das größte Dorf des Oberamts, und hat auch die größte Markung, aber Mangel an Wasser. Es ist Sitz eines Revierförsters, hat eine ansehnliche Kirche, ein Schul- und Rathhaus, 2 Schildwirthschaften und 1 Brauerey, 26 Leinenweber, nicht unbedeutende Schafzucht und starke Bienenzucht (s. S. 74). Es gehörte früher zu dem Gebiete der vormaligen Reichsstadt Ulm und war der Sitz eines Amts und eines Hauptzollamts. Zu dem Amt gehörten: Aichheim, Anstetten, Aufhausen, Merklingen, Nellingen, Oppingen, Türkheim und Wittingen. In dem Amthause wohnt jetzt der Förster. Der Ort soll ehemals ein Städtchen gewesen seyn, und wirklich findet man auch noch Spuren von Mauern und Thoren. 1372 verlieh ihm K. Karl IV. neben Stock und Galgen auch die Markt- und Wochenmarkts-Gerechtigkeit. Unter bayerischer Herrschaft ließ die Gemeinde die Märkte wegen der auf Marktflecken haftenden Bürgermiliz eingehen. Die Kirche, dem h. Andreas geweiht, ist mit einem stattlichen Kirchthurm versehen; die Baulast derselben ruht auf der Heiligen- und der Gemeindepflege, die des Pfarrhauses auf dem Staat. In ältern Zeiten stand neben dem Pfarrer auch noch ein Kaplan an derselben, seine Stelle ist aber längst eingegangen. Das Patronat hatte ebenfalls die Stadt Ulm. Filiale der Kirche sind: Oppingen und Aichheim. Aus der Schule zu Nellingen, die sich in ältern Zeiten auszeichnete, ging der nicht unberühmte Joh. Albrecht v. Widmannstatt hervor[1].


  1. Er war geboren zu Nellingen im J. 1508, studirte zu Tübingen und in Italien die Rechtswissenschaft und zeichnete, wie als Staatsmann, so hauptsächlich auch als orientalischer Sprachgelehrter sich aus. In verschiedenen wichtigen Bedienungen am päpstlichen, bayerischen und kaiserlichen Hofe machte er sich so verdient, daß ihn K. Karl V. 1548 in den Reichs-Ritterstand erhob, und K. Ferdinand I. ihn zum niederösterreichischen Kanzler machte. Diese Stelle [181] vertauschte er mit einem Canonicat zu Presburg und starb unter dem Namen Lucretius, als heftiger Gegner der Reformation 1557 zu Regensburg. Er hinterließ mehrere, in der K. Bibliothek zu München aufbewahrte, Handschriften; eine syrische Sprachlehre erschien 1555 und 1572, und ein syrisches neues Testament, mit Unterstützung Kaisers Ferdinand, 1555 von ihm im Drucke. An der Kirche zu Nellingen befindet sich ein Grabstein der am 14. März 1594 verstorbenen Margaretha Widmannstetterin.
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Johann Daniel Georg von Memminger: Beschreibung des Oberamts Blaubeuren. Stuttgart: J. G. Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen, 1830, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Blaubeuren_180.jpg&oldid=- (Version vom 9.12.2016)