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Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd

früher übliche Gebrauch, Strohräder anzuzünden und den Berg hinunter rollen zu lassen, hat seit längerer Zeit aufgehört.

Das Eierlesen und der sog. Hahnentanz sind gänzlich abgegangen.

Die drei Donnerstage vor Weihnachten, die sog. Knöpflinsnächte, werden die „Anklopfete“ genannt; an diesen Tagen zogen Knaben mit einer Ruthe in der Hand herum und giengen in einzelne Häuser, klopften an und sprachen:

Klopf an, klopf an,
Wer mir ebbes giebt ist wohl dran etc.

Dieser Gebrauch ist beinahe ganz abgegangen; ebenso der sogenannte Klosentag (St. Nikolaustag) und vieles andere.

Noch haben wir des Kinderfestes zu erwähnen, das alle 3 Jahre auf dem Rosenstein oder Hochberg bei Heubach abgehalten wird und sich zu einem kleinen Volksfest ausgebildet hat.

Die kleidsame Volkstracht verschwindet leider täglich mehr und räumt einem unmalerischen Gemenge von städtischer und ländlicher Kleidung die Stelle. Die früher allgemeine Tracht findet man nur noch bei älteren Leuten beiderlei Geschlechts; sie besteht bei den Männern aus einem dreieckigen Filzhut (Dreispitz), einem blauem Tuchrock, einem Scharlach- oder dunklem Manchesterbrusttuch mit Rollknöpfen, kurzen schwarzen Lederhosen und hohen Stiefeln. Bei dem weiblichen Geschlecht hat die halbstädtische Mode noch mehr Eingang gefunden und nur das deutsche Häubchen mit breiten, schwarzen, über den Rücken bis zu den Knien hinunterhängenden Bändern hat sich noch ziemlich allgemein erhalten; zuweilen sieht man auch noch bei katholischen Weibern die Radhaube. In Straßdorf tragen die Weiber Bandhauben, die mit Flittergold gestickt sind. Im allgemeinen besteht die weibliche Kleidung aus verschiedenen, meist bunten Stoffen; namentlich sind die seidenen Halstücher vielfarbig, sie werden nicht selten, z. B. in Mögglingen, derart um den Hals gelegt, daß von ihnen 3 Ecke (Zipfel) über den Rücken zu liegen kommen.

Die Mundart ist im allgemeinen die etwas breite schwäbische, wie z. B. statt haben „haun“, statt stehen „staun“, statt gehen „gaun“, in Gmünd aber gangen z. B.: „land me ganga“, statt laßt mich gehen etc.

Die Vermögensverhältnisse der Bezirksbewohner sind im allgemeinen gut, theilweise sehr gut; einzelne Orte befinden sich in mittelmäßigen und nur ganz wenige, wie z. B. Leinzell und Bartholomä, in ungünstigen Vermögensumständen.


Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus, Eduard Paulus, Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd. Stuttgart: H. Lindemann, 1870, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Gmuend_081.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)