Seite:Oberamt Gmuend 139.jpg

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Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd


Die Kaiser, große Gönner der im 16. Jahrhundert erst sich organisirenden und zu sog. Cantonen vereinigten Reichsritterschaft begabten dieselbe gern mit Privilegien und schenkten allen Rittergütern des Bezirks den Blutbann, d. h. die Criminaljurisdiction mit dem Recht Stock und Galgen zu errichten; Rechberg erhielt auch ausdrückliche Befreiung von den kaiserlichen Landgerichten 1621 ff.

Wir zweifeln nicht, blos die große Zersplitterung und bald auch Verschleuderung rechbergischer Rechte und Besitzungen verhinderte den Aufschwung dieser Familie zur Oberherrlichkeit über den größern Theil unseres Bezirks und ansehnlicher Theile der Oberämter Göppingen, Welzheim, Gaildorf und Aalen (parallel der z. B. von den Herrn von Weinsberg und von den Waldburger Truchseßen, den Limburger Schenken erlangten Bedeutsamkeit.)

Die verschiedenen Grundherrschaften übten ihre obrigkeitliche Gewalt durch Amtleute, meist Vögte genannt, welche Justiz und Verwaltung und gewöhnlich auch das Camerale besorgten. Die Gemeinden standen unter herrschaftlichen Schultheißen, deren es deßwegen in gemischten Orten von einiger Bedeutung auch mehrere gewesen sind. Die Gemeinden selbst wählten „Vierleute“ (in kleinen Orten hie und da blos ihrer 2 oder 3), Vierer, neben welchen an etlichen Orten auch noch „Hauptleute“ erwähnt werden.

Die Stadt Gmünd ließ ihr allmählig erworbenes Gebiet (s. bei Gmünd) durch Vögte verwalten, anfangs 2, dann 4 (zu Bargau, Bettringen, Iggingen und Spreitbach), welche wieder auf 2 reducirt wurden. Rechte und Pflichten der Obrigkeiten und Unterthanen wurden mehr und mehr lagerbüchlich fixirt und die örtlichen Bräuche und Gewohnheiten durch Dorfordnungen fixirt. Viele Einwohner waren – zerstreut durcheinander – Leibeigene der verschiedensten Herrschaften.

Unverkennbar ist das Bestreben aller Grundherrn hauptsächlich ihre obrigkeitlichen Rechte möglichst auszudehnen und von Andern sich ganz unabhängig zu machen. Namentlich suchte jeder auch die hohe Gerichtsbarkeit an sich zu bringen und in den gemischten Orten die eigentliche Dorfherrschaft (über die Gassen und Gemeindegüter) zu behaupten. Das führte zu beständigen Conflikten, in welchen gewöhnlich der Mächtigere den Sieg davon trug, weil er durch Chikanen und namentlich durch factische Durchführung seiner Ansprüche den Gegner mürb machen konnte. Die endlosen Processe bei den Reichsgerichten wurden gewöhnlich zuletzt lieber durch einen Vergleich geschlichtet; ebenso gewöhnlich die gar häufigen Streitigkeiten der Nachbargemeinden über die Weiderechte u. a. m.

Die kleinen Rittergutsbesitzer stärkten sich durch ihr Zusammenhalten in den Cantonen, bei uns im Canton Kocher, und durch die ebenda stets bereite Hilfe von rechtsgelehrten Consulenten und freundbrüderlicher

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus, Eduard Paulus, Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd. Stuttgart: H. Lindemann, 1870, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Gmuend_139.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)