Seite:Oberamt Gmuend 182.jpg

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Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd

zum Lobe des am Kreuz erhöhten Heilands und zur Ehre der in den Himmel aufgenommenen Maria begonnen am 16. August (alten Datums) 1351, und eingeweiht am Matthäustage 1410. In der Vorhalle des nördlichen Hauptportales steht folgende Inschrift in schönen altgothischen Majuskeln: anno. dmi. MCCCLI. ponebatur. primus. lapis. pro. fundamento. hujus. chori. XVI. kal. (?) augusti. Die Kirche von 2793 □′ Flächenraum, innen 270′ 9″ (w. F.) lang und 77′ 4″ breit, bis zum Scheitel der Gewölbe 75′ 5″ hoch, ist nach dem Ulmer Münster das großartigste und schönste Denkmal gothischer Baukunst in Württemberg. Vierzehn hohe und schlanke Rundsäulen tragen die reichen Netzgewölbe der drei gleich hohen Schiffe, acht die noch reicheren Gewölbe des Chores, um das sich die Seitenschiffe als ebenso hoher Umgang herumziehen, begleitet von zehn halb so hohen Kapellen, die, von schönen Rippenkreuzgewölben überspannt, sich zwischen den Strebepfeilern einwölben. Am Anfang des Chores standen früher zwei Zierthürme, die am Charfreitag des Jahres 1497, den 22. März, Nachts 10 Uhr zusammenstürzten. Im Innern der Kirche liest man über dem Triumphbogen des nördlichen Seitenschiffes, gegen den Chor hin, folgende Inschrift: anno. dni. 1497. am karfreitag. zu. nacht. send. zwen. thurn. an. disem. gotzhaus. gefallen. Der Einsturz der beiden Thürme, die gewiß von großer Schönheit waren, erfolgte dadurch, daß an der zwischen beiden eingesprengten Mauer einige Steine herausgenommen wurden; die Kirche litt damals starken Schaden, ein Theil der Gewölbe und Arkadenbögen und mehrere Säulen wurden zertrümmert. Schon vorher jedoch müssen die Thürme baufällig gewesen sein, denn schon im Jahre 1496 requirirten die Gmünder den Kirchenmeister Matthäus Böblinger von Eßlingen, wie aus einem Dankschreiben an Bürgermeister und Rath zu Eßlingen vom 22. März 1496 hervorgeht (s. Haßler in den Jahrbüchern für Kunstwissenschaft II. S. 122). Bei Erneuerung der Kirche wurden auch die verschont gebliebenen Gewölbe, einfach-schöne und kräftige Rippenkreuzgewölbe, wie sie sich in den Chorkranzkapellen noch erhielten, bis gegen die Säulenkapitelle hin abgebrochen, und reiche sternartige Netzgewölbe dafür gesetzt, gehalten in dem lebhaften, doch ausartenden Geschmacke jener Zeit; die Rippen überschneiden sich an allen Knotenpunkten. Die eingestürzten Arkadenbögen wurden ähnlich den früheren, nur mit sich kreuzenden Rundstäben, die Kapitelle der Säulen mit krauserem Laubwerk wieder hergestellt. Die neue Einwölbung der Kirche ist ohne Zweifel von Osten nach Westen vorgenommen und im Jahre 1521 vollendet worden. Diese Jahreszahl steht nämlich auf einem steinernen Bande, das sich um den Knotenpunkt des westlichsten Sterngewölbes des Mittelschiffes schlingt. Im Chore sind die Sterngewölbe sogar mit Maßwerken ausgegliedert,

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus, Eduard Paulus, Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd. Stuttgart: H. Lindemann, 1870, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Gmuend_182.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)