Seite:Oberamt Gmuend 185.jpg

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Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd

nie verwitternden gelben Liassandstein gefertigt. Die Steinmetzzeichen sind theils die im vierzehnten Jahrhundert üblichen, theils spätgothische; letztere an den Theilen, die durch den Einsturz der beiden Thürme schadhaft geworden waren und erneuert werden mußten. Zwischen Schiff und Chor wurde auf dem noch alten, so tüchtig als schön gezimmerten Dachstuhle im Jahre 1774 ein hölzerner Dachreiter mit zwei kleinen Glocken errichtet.

Betreten wir nun die Kirche durch das Westportal: in wunderbarer schlanker Schönheit der Verhältnisse ziehen die drei gleichhohen Hallen der Schiffe gegen den noch höheren, von den Seitenschiffen rings umzogenen Chor, der, durch seinen Kapellenkranz noch weiter vertieft und gegliedert, einen prachtvollen Abschluß gewährt.

Es ist ein herrlicher, ganz harmonischer Raum, in dem die hier als Gewölbstütze angewandte einfache, hohe Rundsäule, mit niedrigem, von zwei Blattkränzen umlegtem Kapitell, eine der schönsten Formen der Baukunst, zu ihrer vollsten Wirkung kommt. Die Fenster des Chores sind mit neuen, zum Theil ganz tüchtigen Glasgemälden erfüllt und werfen ein wohlthuendes feierliches Licht in das Heiligthum; sie wurden meist von Genossenschaften und Privaten gestiftet und die besten darunter von Ludwig Mittermaier aus Lauingen († 1864) gefertigt. Die ganze Kirche hat jetzt eine treffliche Farbe, weil sie bei der seit 1850 unter Leitung des Architekten Rieß vorgenommenen Restauration von ihrer Tünche befreit wurde, und nun das schöne Korn des Sandsteines überall zu Tage tritt; dageben sind die Altäre glücklich vertheilt und alle in gothischem Geschmacke gefaßt. Die Kosten belaufen sich bis jetzt auf 77.000 fl., wozu die baupflichtige Kirchen- und Schulpflege 48.000 fl., die Einwohnerschaft, Katholiken wie Protestanten, durch freiwillige Gaben 29.000 fl. beitrug.

Der Haupt(Hoch)altar, um 9 Stufen über den Boden des Schiffes erhöht, ist ganz neu in gothischem Stil errichtet und wird vorn von einer Menge Spitzsäulen und kleinen Heiligen-Gestalten belebt. An der Rückseite ist er als Flügelaltar gestaltet und zeigt auf den Flügeln die Leidensgeschichte, und in der Mitte das große, schöne Reliefbild Christus am Ölberg, hier mit dem Namen des Meisters: H. Wörmann, München 1861. In der mittleren Halle des Chores stehen zwei reiche Rococobeichtstühle und auf jeder Seite eine Reihe von Chorstühlen in einfach edler Renaissance, die im Jahre 1550, – diese Jahreszahl, sowie das Monogram A D steht an der Brüstung des ersten Stuhles rechts, – aus verschieden farbigen Maserhölzern gefertigt worden; sie zeigen eine korinthische Pilasterordnung mit ausnehmend geistreich und schön behandelten Blätter-Kapitellen, und oben erheben sich in langer Reihe halblebensgroße Heiligengestalten aus späterer Zeit. Von demselben Meister stammt gewiß auch die höchst geschmackvoll eingelegte, mit der Jahreszahl 1551 versehene Kanzel;

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd. Stuttgart: H. Lindemann, 1870, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Gmuend_185.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)