Seite:Oberamt Gmuend 186.jpg

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Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd

die Felder ihrer achteckigen Brüstung sind mit perspektivischen Architekturen geschmückt; diese Kanzel, ein so seltenes Muster echter und strenger Renaissance, wurde im 17. Jahrhundert mit verschiedenen lastenden Zuthaten, z. B. mit dem als Kanzelstock dienenden Giganten versehen und zwar von dem Schreinermeister Peter Albrec, (Albrecht), einem eingewanderten Franzosen, der urkundlich im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts an Chorstühlen und Kanzel thätig ist, und dessen Monogramm P. A. samt Jahreszahl 1718 an der Brüstung des ersten Chorstuhles links zu lesen ist. Von ihm sind ohne Zweifel die oben auf dem Chorstühlen stehenden geschnitzten Heiligen-Figuren gefertigt. Als ein ganz großartiges Werk muß sodann genannt werden die Orgel samt ihren Emporen, die ganze Westseite bis zum Gewölbe hinauf einnehmend. Zu unterst die große steinerne Empore noch mit gothischen Netzgewölben, denen der Kirche ähnlich, und mit sehr schöner steinerner Balustrade in frühem Renaissancestil; an einem ihrer Pfeilerchen steht 1552 und unten am Kapitell einer der Wandsäulen steht: michel seytzs stettmaister knecht. Auf dieser Empore baut sich eine zweite hölzerne auf. Gewaltige, in großartigem und meisterhaftem Zuge aus je Einem Eichenklotz geschnitzte Giganten tragen angestrengt auf ihrem Nacken die mit Kranzgewinden und prächtiger, der untern steinernen, ähnlicher Balustrade geschmückte zweite Empore und hierauf steht, in fast überreicher Fassung von Engeln und Frucht- und Blumengebinden, die riesige Orgel mit 33 Registern, erbaut 1688 von Paulus Prescher aus Nördlingen. Das Orgelgehäuse ist aus Lindenholz im Jahr 1688 in Gmünd gefertigt, während der herrliche Emporenbau bis zur Orgel aus Einer Zeit, nämlich aus den Jahren 1552 und folgenden, zu stammen scheint.

In der ersten Kapelle, an der Südseite des Chors, stellt das holzgeschnitzte Mittelbild des Altares Maria mit Christi Leichnam, mit Magdalena und Johannes dar, ein Werk (angeblich nach Albrecht Dürer) von ganz trefflicher Bewegung und tief ergreifendem Ausdruck.

In der zweiten Kapelle, der Sebaldskapelle, steht der berühmte, von dem Nürnberger Patrizier und Magistratsrath Sebaldus Schreier und seiner Frau Margaretha Kammermeisterin aus Gmünd gestiftete Sebaldus-Altar. In der Mitte ein großes, flach in Holz geschnittenes Bild, S. Sebaldus groß, und unten knieen kleiner die andachtsvollen Gestalten der Stifter mit ihren schönen Wappen. Auf der Predella sind die 14 Nothhelfer gemalt, auf den Flügeln des Altars die Legende des h. Sebaldus; diese Gemälde, namentlich die der Predella und die äußeren der Flügel, sind von hervorragender Schönheit und werden dem Martin Schaffner zugeschrieben. Im Baldachin des Altars steht ein altes, jüngst hieher versetztes Holzbild, die Hinrichtung der h. Apollonia. Gegenüber hängt an der Wand eine gemalte Tafel, worauf die nach dem Einsturz der Thürme stark beschädigte

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus, Eduard Paulus, Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd. Stuttgart: H. Lindemann, 1870, Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Gmuend_186.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)