Seite:Oberamt Gmuend 191.jpg

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Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd

zu setzen ist. An die Stelle des alten Chores wurde nämlich ein gothischer gesetzt und hiebei zum Theil die Steine der ursprünglichen Abside verwandt, welche, namentlich die zum Fundament wieder benützten, unzweifelhaft einen früheren Stil zeigen, als alle übrigen Theile der Kirche. Wenn beim gegenwärtigen durchgreifenden Umbau der Kirche der gothische Chor niedergerissen werden wird, so finden sich wohl hiefür noch weitere Anhaltspunkte.

Seit dem Sommer 1869 wird, hauptsächlich durch die rastlosen Bemühungen des Kaplan Pfizer und des Stadtbaumeisters Stegmaier, die Kirche wieder in die Form zurückgebaut, die sie unter den Hohenstaufen, die jedenfalls an ihrer Erbauung großen Antheil nahmen, hatte, in die schöne Form der dreischiffigen, flachgedeckten Basilika mit hohem Mittelschiffe; dessen war sie verlustig gegangen durch die Eingriffe, welche sich das fünfzehnte und achtzehnte Jahrhundert in das edle Bauwerk erlaubten. In der spätgothischen Zeit nämlich wurden die Seitenschiffe der Kirche erhöht und mit dem Hauptschiff unter ein Dach gebracht, die östlichen Theile aber schon vor 1400 niedergerissen und durch einen gothischen Chor ersetzt. An den Wänden der Seitenschiffe und der Façade wurden viele der romanischen Fensterchen vermauert, und dafür große gothisch gefüllte eingebrochen. Das Innere blieb damals so ziemlich unberührt und ward erst in der Zopfzeit mit überreichen, aus Stuck und Zeug gemachten Rococogewölben, mit großen Gipsstatuen und Fresken erfüllt, und was das Schlimmste war, in die Wände des Oberschiffes breite Ovalfenster hineingeschlagen, welche der Festigkeit des ganzen Gebäudes nicht wenig schadeten. Zum großen Glück unternahm man im vorigen Jahre die Erneuerung der Kirche, eines der merkwürdigsten und schönsten Denkmale nicht blos in Schwaben, und wir erschauen nun wieder eine dreischiffige, langgestreckte, hohe Pfeilerbasilika von sehr edlen Verhältnissen und höchst reichem und wirksamem bildnerischem Schmucke.

Beginnen wir nun mit der Westseite (Schauseite), die auf den freien Platz gegen die frühere Dominikanerkirche heraussteht. Schlank und schön steigt hier die Front des Mittelschiffes über die der Seitenschiffe empor, und wird wie diese von wagrechten und an den Giebelsäumen von schräg hinlaufenden Rundbogenfriesen belebt; diese Friese machen eine um so reichere und bessere Wirkung, weil ihre Bogenfelder alle von immer wechselnden Pflanzen- oder Thiergebilden erfüllt sind; aber auch an den Lisenen, die zu den Friesen hinaufgehen, sind in Menge kleine Skulpturen ausgemeißelt, überhaupt die ganze Façade und, wie wir sehen werden, die ganze Kirche samt Thurm ist mit figürlichem Schmuck in einem ganz seltenen Reichthume gedeckt, die Ornamente selbst sind wieder bis ins Feinste ausgeführt, diamantirt u. s. w.; siehe anstehend Theile aus den wagrechten Friesen der Westseite des Mittelschiffes.


Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd. Stuttgart: H. Lindemann, 1870, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Gmuend_191.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)