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Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd

S. Veits angebracht ist; er stammt aus der uralten, leider 1807 abgebrochenen Veitskapelle, die nördlich von der Johanniskirche stand und eine Unterkirche besaß. An den Arkadenpfeilen finden sich noch Spuren von sehr alten Fresken.

Von den vier Glocken auf dem Thurm hat die größte in gothischen Minuskeln die Umschrift: frantz. puicsen. meister. von. eslingen. gos. mich. von. cristus. gepurt. 1400 und 33 ior. iesus. maria. Die zweitgrößte ist sehr alt und zeigt die vier Evangelistennamen in altgothischen Majuskeln. Die dritte wird das Marienglöckchen genannt und hat die Umschrift: S. Johannes Baptista. Ora pro nobis 1692; endlich das sog. Todtenglöckchen mit der Umschrift: Franziscus Kern in Augsburg gegossen 1711.

Früher bestanden an der Johanniskirche Kramläden, die 1785 neu aufgebaut und neuerdings beseitigt wurden.

3. Die Franziskanerkirche (Kirche des ehemaligen Franziskaner-Klosters, jetzigen Schullehrer-Seminars). Dieses einst so herrliche, angeblich 1208 von Walter von Rinderbach gestiftete Gebäude wurde in der Uebergangszeit vom romanischen in den gothischen Geschmack erbaut und in der Zopfzeit stark verändert. Die geräumige Kirche bestand, nach Art dieser Bettelordenkirchen, aus einem großen weiten flachgedeckten Schiffe und einem strengen hohen gewölbten Chore. Doch wurde sie auf Grund einer romanischen (wohl nie fertig gewordenen) Anlage errichtet, wie das kraftvolle, mit Wulsten belebte rundbogige Portal der Westseite, sowie die Lisenansätze an der Ostwand des Chores, beweisen. Über dem Chor erhob sich ein in diesem Jahrhundert abgebrochener Thurm, der jetzt durch einen hölzernen Dachreiter ersetzt ist.

An der Nordseite ist zum größten Theil das in ganz schlichtem Rococostil gehaltene ausgedehnte Kloster angebaut und nur gegen die Nordwestecke hin steht die Mauer frei und zeigt hier noch einen vermauerten romanischen Eingang. Die Südwand des Schiffes wurde in der Zopfzeit, bis auf die spätromanische Sockelwulst und das oben wieder angebrachte alte Kranzgesimse niedergerissen und neuaufgeführt und mit langen, gedrücktbogigen Fenstern versehen. Am hohen, geradgeschlossenen, mit Streben besetzten Chore dagegen sind die herrlichen, schlanken, je zu drei gruppirten Spitzbogenfenster (ältesten gothischen Stils) erhalten, wenn auch zum Theil vermauert. Innen ist das Schiff in eine flachgewölbte Halle mit reichen Zopfstuckaturen und Ölgemälden an Wänden und Decke umgewandelt; auch der Chor wurde ganz verzopft, aber hier erkennt man noch unter dem schwerfälligen Rococo die edlen Rippenkreuzgewölbe, die auf reichen, schön kapitellirten, von prachtvollen Laubbwerkkonsolen getragenen Säulenbündeln ruhen; sie zeigen die wundervolle, so feine als kräftige Ornamentik damaliger Zeit in ihrer Vollendung. Die Kirche

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd. Stuttgart: H. Lindemann, 1870, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Gmuend_199.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)