Seite:Oberamt Gmuend 207.jpg

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Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd

an die Gemeinde verkauft. An der Stelle desselben war die 1760 zum Abbruch gekommene obere Apotheke gestanden. Das Gebäude enthält die städtischen Kanzleigelasse, das städtische Archiv und das Gerichtsnotariat und den sehr schön stuckirten Rathhaussaal, im Jahr 1865 geschmackvoll mit Gold renovirt. Das frühere, mit einer kunstvollen Uhr geschmückte Rathhaus stand mitten auf dem Marktplatz; es wurde von dem Baumeister Peter Brim von Göppingen im Jahr 1523 meist aus Eichenholz neu erbaut, und 1793 abgebrochen. An einem seiner Balken stand: 1523. Peter Brim von Göppingen.

Leid und Schweig und ertrag
Glück wendet sich alle Tag.

b. Die sog. Gräth auf dem Marktplatz, ein gut erhaltenes, sehr altes, dreistockiges Gebäude, in welchem der Stadtschultheiß und der Stadtpfleger ihre Amtswohnungen haben; im unteren Stockwerk befindet sich die städtische Wage. In die Vorderwand des Gebäudes ist ein in schönem gothischem Stil gehaltenes Steinbild, die Anbetung Christi eingemauert. In der Hausflur des zweiten Stockwerks hängt ein Kronleuchter, bestehend aus einem sehr starken Hirschgeweih mit 14 Enden und dem schön ausgeführten Brustbild einer weiblichen Figur in der Tracht des 16. Jahrhunderts und mit dem Rechbergischen Wappen, woran die Jahrszahl der Renovirung 1716 steht.

Früher enthielt die Grät Kanzleilokale (z. B. eine Raths- und eine Stadtmeistersstube) und besonders die nöthigen Gewölbe und Kammern um das Geräthe der Stadt (den Schatz, das Arsenal und mancherlei Materialvorräthe) aufzubewahren; auch befand sich daselbst, wie noch heute die Stadtwage. Ein Grätmeister verwaltete Alles mit der Grätmagd, welche einheizte, kehrte etc.

c. Die sog. Schmalzgrube bei der Franziskanerkirche, ein sehr schönes, im frühen Renaissancestil massiv erbautes Gebäude; das erste Geschoß ist in sorgfältiger Rustika ausgeführt und mit drei Portalen versehen, über dem mittleren schmäleren, reich verzierten ist das Wappen der Stadt nebst großer Inschrifttafel und der Jahreszahl 1589 angebracht. Im Inneren finden sich noch manche Spuren der frühern Einrichtung, im unteren Stock Gewölbe, im oberen ein durch das ganze Gebäude gehender, von fünf prächtigen Eichenholzsäulen in der Mitte getheilter Saal.

Die Schmalzgrube ist aus dem von der Stadt erkauften älteren Königsbronner Hof entstanden; das geräumige, mit einem ummauerten Hof versehene Gebäude wurde zur Abhaltung des Schwörtags, an welchem sich die Gemeinde im Hof, der Rath oben im Saal versammelte, und auch sonst zu Gemeindeversammlungen benützt. Eine Gmünder Chronik schreibt: 1308 ist das Steinhaus beim Königsbronner Hof, so vorhin Kaisers Barbarossa Tag gewesen, erneuert

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus, Eduard Paulus, Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd. Stuttgart: H. Lindemann, 1870, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Gmuend_207.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)