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Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd

und der Prediger im Spital (J. Scheppal) predigte lutherisch, reichte das heil. Abendmahl unter beiderlei Gestalt, die Fasten wurden wenig beachtet u. s. w. 1555. Die evangelisch Gesinnten wendeten sich an die evangelischen Fürsten um Beistand, aber 1570 wurde allen ein Termin gesteckt bis 1574, um ihr liegendes Eigenthum zu verkaufen (mit Abzug von 10% Nachsteuer) und auszuwandern, was hauptsächlich ins Württembergische geschah. Das ketzerische Abendmahl wurde bei Verweisung und Thurm- oder Geldstrafe verboten, – österliche Communion, Messehören, Fasten u. dgl. geboten. 15 Bürger suppliciren nochmals vergeblich um Glaubensfreiheit; auch die Fürsprache evang. Fürsten war umsonst, der Bischof förderte die Durchführung. – Aber auch jetzt blieben immer noch Einzelne zurück und 1588 redet Kaiser Rudolf II. davon, daß sich Evangelische durch Prädikanten, Postillen, Catechismen u. dgl. immer wieder einschleichen. Sie hielten heimlich nächtliche Zusammenkünfte und schickten sogar 1594 eine Supplik an den Reichstag, welche mit Gefängniß und Verweisung vom Rath beantwortet wurde.

Neue Bewegungen erweckte 1620 ein Predigermönch und später verschenkte die Krone Schweden die Gmünder Klöster an den Obersten von Degenfeld. Dieß war aber eine sehr kurze Episode und die Stadt blieb beim ausschließlichen Bekenntniß zum katholischen Glauben, bis zur württembergischen Besitzergreifung 1802.

Die Bürgerschaft wurde allmählig selber auch eifrig katholisch. Eine während einer Pest entstandene St. Aegidien-Brüderschaft, deren Mitglieder sich unter einander zu Grab tragen wollten, wurde 1655 kirchlich erneuert und confirmirt; eine marianische Congregation entstand in der St. Johanniskirche 1780/90; Missionen durch Jesuiten wurden einigemal gehalten, z. B. 1724/25.

Eine bedeutsame Neuerung geschah in der Mitte dieses Jahrhunderts. Als vom Landkapitel ein Dorfpfarrer zum Dekan erwählt wurde 1753, fühlten sich die Gmünder beleidigt und mit besonderer Beihilfe des einflußreichen Bürgermeisters Storr wurde beim Bischof in Augsburg die Exemtion der Stadt betrieben und 1761 erlangt. Die Pfarrkirche wurde zur Stifts- oder Collegiatkirche erhoben, deren erster Dekan Weihbischof von Adelmann, nachher aber eo ipso der jeweilige Stadtpfarrer sein sollte, die Kapitularen – die 10 Kaplane der Stadt. Ein neues Kapitelshaus wurde sofort 1764 gebaut und der Kaiser schickte auch gleich ein Precistendiplom; die bischöfliche Bestätigung der Kapitelsstatuten erfolgte erst 1778; – die Aufhebung durch Württemberg 1803.

Seitdem sind die geistlichen Stellen so regulirt worden, daß neben dem Stadtpfarrer und einem ständigen Vicar desselben (früher St. Jakobscaplanei) die St. Georgs- und St. Mariencaplanei an der Pfarrkirche bestehen, die St. Martinskaplanei in der St. Johannskirche,

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd. Stuttgart: H. Lindemann, 1870, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Gmuend_264.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)