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Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd

Das jetzige Rathhaus wurde 1833 als Wirthshaus erbaut und 1846 von der Gemeinde angekauft.

Das den beiden Herrn von Lang gehörige Schloß liegt in der Mitte des nördlichen Theils des Dorfes, ist dreistockig mit altem Unterbau, zeigt malerische hölzerne Galerien gegen Osten und einen halbrunden Thurm gegen Süden; in seinem Innern befindet sich noch der alte Rittersaal mit tüchtigem Holzbau.

Gutes und reines Wasser liefern stets hinreichend fünf laufende, zwei Pump- und drei Schöpfbrunnen. Zwei Wasserleitungen von 800–900′ Länge bestehen, eine mit hölzernen, die andere mit thönernen Röhren. Auf der Markung entspringen ferner fünf gute, ziemlich starke Quellen, dann fließen darüber die Lein, der Götzenbach, (beide zuweilen verheerend austretend), der Laubach, der Brunnenwiesen- oder Ortsbach, der Ziegelbach und der Bach von Brainkofen her; die drei zuletzt genannten trocknen in heißen Jahrgängen ein. Früher bestand auf den Weiherwiesen westlich vom Ort ein Weiher.

Die Körperschaftsstraße aus den Bezirken Gaildorf und Aalen geht hier durch nach Gmünd, sodann führen Vicinalstraßen nach Täferroth, Uzstetten und Horn.

Über die Lein führt im Ort eine lange hölzerne Brücke mit 7 Jochen, ferner außerhalb des Orts eine steinerne über den Götzenbach und über den Laubach ein gewölbter Durchlaß; die hölzerne Brücke hat die Amtskorporation, die übrigen die Gemeinde zu unterhalten.

Die Einwohner zeichnen sich weder durch körperliche Vorzüge noch Gebrechen aus, nur daß sich bei einzelnen von ihnen eine leichte Neigung zum Kretinismus bemerklich macht, indessen sind gegenwärtig nur zwei eigentliche Kretinen im Ort; drei Ortsangehörige zählen derzeit über 80 Jahre. Was den Charakter betrifft, so ist der kleinere Feldbau treibende Theil der Einwohner fleißig und geordnet, während dem größern, in Folge von Armut und des Betriebs von Hausirhandel, dies weniger nachgesagt werden darf.

Als besondere Merkwürdigkeit ist das sogenannte „Steinkind von Leinzell“ anzuführen: Eine gewisse im Jahr 1629 geborene Anna Müller zu Leinzell starb im 94. Jahr; bei der Sektion, die man vornahm, weil die Müller viele Jahre über eine schwere Last im Leibe klagte, wurde in der Bauchhöhle eine länglich runde, etwa acht Pfund schwere steinartige Masse von dem Umfang einer Kegelkugel gefunden. Die Masse umschloß einen abgestorbenen Fötus männlichen Geschlechts, den die arme Frau 46 Jahre im Leibe herumtragen mußte (s. das Steinkind von Leinzell, Dissertation des Dr. W. Kieser. Stuttgart 1854). Das Steinkind selbst ist in der pathologisch-anatomischen Sammlung in Tübingen aufbewahrt. Ähnliche Erscheinungen kamen schon öfters, namentlich in Frankreich, vor.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus, Eduard Paulus, Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd. Stuttgart: H. Lindemann, 1870, Seite 367. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Gmuend_367.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)