Seite:Oberamt Gmuend 426.jpg

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Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd

ziehenden Heuselbachthälchens; fast überall auf der Markung und theilweise auch vom Orte aus genießt man eine wahrhaft großartig-schöne Aussicht, besonders an die nahen, herrlich geformten Albberge, Rosenstein, Bernhardusberg, Stuifen, Rechberg, Staufen; die günstigsten Punkte sind auf den Hohenwiesen, auf dem Aasrücken, den Schönbronner Höfen und auf dem Schirenhof.

Die dem h. Cyriakus geweihte Kirche steht hoch und frei am Nordwestrande des Dorfes und gehört zu den sehenswerthesten des Bezirkes. Der im Osten der Kirche stehende Thurm ist in seinem untersten, sehr hohen Stockwerke uralt, und hat innen ein äußerst hochgesprengtes romanisches Tonnengewölbe; auch die Westseite des Schiffes zeigt noch Spuren dieser Bauweise, namentlich ein Rundbogenfenster. In den siebenziger Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts brannte die Kirche ab und wurde 1477/78 im spätgothischen Stil (von der Rechberg’schen Familie) wieder aufgebaut; östlich an den Thurm setzte man einen hübschen, von Strebepfeilern gestützten Chor, dessen schöngefüllte Spitzbogenfenster sich alle noch erhielten; auch das Schiff ist theilweise noch mit solchen geschmückt, über seinem Westportale steht 1478. Dem Thurme wurde damals ein zweites achteckiges, von gefüllten Spitzbogenfenstern belebtes Geschoß aufgesetzt, das von ziemlich stumpfem Zeltdache bekrönt wird; die Maßwerke sind leider herausgeschlagen, dagegen stehen noch die vier Spitzsäulen, die den Übergang vom Vier- ins Achteck vermitteln. Auf der Kirchenbühne bemerkt man noch an der Westseite des Thurmes den steinernen Dachansatz der ursprünglichen, schmäleren Kirche. Innen ist das Schiff flachgedeckt, der Chor von schönem, in den Formen der Gewölbe der Kreuzkirche zu Gmünd gehaltenem Sterngewölbe überspannt, auf dessen Schlußstein die Rechbergschen Löwen ausgehauen sind. Der mächtige Triumphbogen ist gedrückt spitzbogig, auch der Taufstein altgothisch, die Altäre sind im Rococostile gehalten und mit freundlichen neuen Gemälden und Holzfiguren geschmückt. Über dem Eingang in die Sakristei steht 1569. Die Kirche besitzt verschiedene, sehr beachtenswerthe Grabmäler: das älteste davon eine halbabgetretene, beim Altar auf dem Fußboden liegende Grabplatte, worauf in den schlanken, graziösen Linien der Frühgothik die Figur der Bestatteten, wahrscheinlich einer Gräfin v. Rechberg, eingeritzt ist. Ferner stehn im Thurm die Denkmäler zweier Frauen, rechts einer von Rechberg, links einer von Wöllwarth, sie sind in Klostertracht und so roh gearbeitet, daß man sie für uralt halten könnte, stammen aber, soviel unter der dicken Tünche zu erkennen ist, aus dem sechzehnten Jahrhundert. Dann erhebt sich an der Nordwand des Thurmes das kolossale, prachtvolle, aus feinem Sandstein gearbeitete Grabmal eines Rechberg und seiner Gemahlin, das glücklicher Weise der alles vernichtenden Tünche entging und noch ganz erhalten ist. Es stellt in

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus, Eduard Paulus, Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd. Stuttgart: H. Lindemann, 1870, Seite 426. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Gmuend_426.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)