Seite:Oberamt Laupheim 038.jpg

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Genußsucht mit Hang zum Luxus hat übrigens auch unter den minder Vermöglichen, namentlich bei jüngeren Leuten, eingerissen, und äußert auf die Vermögensumstände eines nicht unbeträchtlichen Theils der Einwohner nachtheilige Folgen. Nur einzelne Gemeinden, besonders in den abgelegeneren Gegenden, wie z. B. auf den Holzstöcken, zeichnen sich noch durch Eingezogenheit und Sparsamkeit aus. Ein hervorstechender Zug im Charakter der Einwohner ist die Rachsucht; zugefügte Beleidigungen werden nicht leicht vergessen und öfters erst nach Jahren von dem Beleidigten gerächt. In Absicht auf die Vermögens-Verhältnisse zwischen Eheleuten besteht, mit wenigen Ausnahmen, allgemeine Gütergemeinschaft.

Die Volksbelustigungen sind die in Oberschwaben gewöhnlichen, wie das Scheibenschießen, Kegelspiel, solenne Zechhochzeiten mit ziemlichem Aufwande für die nächst Betheiligten; das Schießen bei Hochzeiten und Taufen ist namentlich in dem Illerthale gewöhnlich und wird öfter zum Übermaße getrieben; der Tanz bei Hochzeiten, Kirchweihen, in der Fastnachtszeit u. s. w. ist noch ziemlich allgemein, ebenso der Erntetrunk und die Flegelhänge; auch sind in einzelnen Orten die Leichentränke noch eingeführt. In der Gemeinde Steinberg, wo in der Martins- und Michaelisnacht die Kinder befreundeter Familien mit Kücheln und Fleisch regalirt werden, herrscht noch der Brauch, daß zu dieser Zeit Kinder und Erwachsene an Stangen befestigte brennende Strohbündel auf die Höhen der Umgegend tragen und daselbst Feuer anzünden; auch versammeln sich an drei Sonntagen nach St. Veit die Kinder und die Ledigen um ein Feuer außerhalb des Orts und springen je ein Bursche und ein Mädchen über die Flammen (Himmelsfeuer), angeblich damit der Flachs gerathe.

Die ländliche Kleidertracht nimmt mehr und mehr, namentlich bei dem weiblichen Geschlecht ab; doch weicht sie langsamer, als in Niederschwaben, der städtischen. Ein dunkler Tuchrock, schwarze oder dunkelgrüne Brusttücher von Manchester mit silbernen Rollknöpfen oder Geldstücken (12- und 24-Kreuzerstücke), kurze, schwarze Lederhosen, ein runder Hut mit breitem Sammtband und stählerner oder silberner Schnalle, bei den ledigen Burschen zuweilen mit einer goldenen Borte, bildet noch häufig die Tracht der Männer. Dabei darf die mit Silber reich beschlagene Ulmer Tabakspfeife mit silberner Kette und die Uhr nicht fehlen, an deren schwerer silberner Kette verschiedene Zierrathen hängen.

Das weibliche Geschlecht kleidet sich meist buntfarbig in Baumwollenzeuge, zuweilen in Seidenzeuge; die große Radhaube (sogenannte

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Laupheim. Stuttgart 1856, Seite 038. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Laupheim_038.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)