Seite:Oberamt Leutkirch 220.png

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getroffen und beschädigt, so daß Truchseß Froben sich entschloß, auf der anstoßenden Höhe, die damals gänzlich mit Holz bewachsen war, ein neues Residenzschloß nach einem großen und für jene Zeiten geschmackvollen Plan zu erbauen. Die Materialien lieferte theils das abgetragene alte Schloß, theils wurden sie von den frohnpflichtigen Unterthanen herbeigeschafft, die auch einen freiwilligen Beitrag an Geld leisteten. Im Jahr 1608 war, mit Hülfe bayerischer Meister, der Bau schon so weit gediehen, daß den 18. Dezember, am Tage des h. Wunibald die Schloßkapelle eingeweiht werden konnte. 1611 war das große Viereck, welches den obern Hof umfängt, geschlossen, und auch die nothwendigen Wirthschaftsgebäude, welche den großen untern Hof einschließen, unter Dach gebracht. Die Einrichtung des Innern war jedoch nur zum kleineren Theile vollendet, als der Erbauer im Jahr 1614 mit Tod abging. Die Unruhen und Verheerungen des 30jährigen Kriegs, während dessen das Schloß einmal in die größte Gefahr kam, eingeäschert zu werden (1647), verzögerten den gänzlichen Ausbau der Haupt- und Nebengebäude lange Zeit. Doch gestaltete sich das Schloß nach und nach zu einem sehr ansehnlichen, sehenswerthen Gebäude, das mehrere schöne Säle und Zimmer mit Gemälden, ein Archiv, eine Bibliothek, eine interessante Gewehrkammer, eine Sammlung antiquarischer Merkwürdigkeiten, größtentheils aus der Umgegend u. a. in sich schließt. Eine besondere Zierde ist der trefflich angelegte Garten an der Süd- und Ostseite des Schlosses mit einer schönen Baumschule. Ungeachtet derselbe unter allen Anlagen dieser Art der höchstgelegene in Württemberg ist, wetteifert doch die hiesige Kunstgärtnerei in früher und vollkommener Erzeugung von feinen Gemüsen, Tafelobst, Weintrauben u. dgl., mit vielen, ungleich vortheilhafter gelegenen Lokalitäten.

An den Schloßgarten stößt die Pfarrkirche zur heil. Jungfrau Maria Himmelfahrt, ein gefälliges Gebäude mit schönen Kirchenparamenten, einem Fürstlichen Oratorium und dem Fürstlichen Familienbegräbniß. Ehemals war die Pfarrkirche in Unter-Zeil (s. d.). Der oben genannte Truchseß Froben errichtete 1608, nach dem Vorbilde des Stiftes zu Wolfegg, ein Kollegiatstift, erbaute die genannte Kirche, welche als Stiftskirche im Jahr 1612 eingeweiht wurde, und führte daneben ein Gebäude zur Aufnahme des Probstes mit 2 Kanonikern und 4 Kaplänen auf. Die bischöfl. Konstanzische Bestätigung erfolgte 1608, die kaiserliche 1609. Der Stifter bestimmte zur Unterhaltung des Kollegiatstiftes die Pfarr-Einkünfte von Unter-Zeil und Seibranz, die St. Georgenpfründe in Wurzach, ein Kapital von 10.000 fl. aus seinem Kammergut, eine jährliche Geldrente von 20 fl. und eine jährliche Geldabgabe

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Beschreibung des Oberamts Leutkirch. Stuttgart und Tübingen: Cotta, 1843, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Leutkirch_220.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)