Seite:Oberamt Reutlingen 063.jpg

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Die Pferdezucht insbesondere, sonst ein Vorzug der Alporte, ist in der vergangenen Zeit sehr herabgekommen, so daß man wenig vorzügliche Pferde findet; sie hebt sich jedoch in neuerer Zeit durch die aufopfernde Theilnahme Sr. Majestät des Königs, und durch die ihr gewidmete Unterstützung der Regierung. Unter denjenigen Orten, welche sich noch einigermaßen durch Pferdezucht auszeichnen, sind Betzingen und Holzelfingen.

Die Rindviehzucht ist meist noch schlechter beschaffen, als die Pferdezucht. Das Vieh ist größtentheils klein, mager und leibarm. Eine Hauptursache davon ist die Weidewirthschaft und die meist große Entfernung der Weiden. In Omenhausen allein ist die Stallfütterung durchgängig, außerdem nur in einzelnen Orten theilweise eingeführt. Neben der Weidewirthschaft steht der Mangel an Gelegenheit zu einem guten Schlag zu gelangen, besonders der Mangel an guten Zuchtstieren, einer verbesserten Rindviehzucht entgegen; als eine um so wohlthätigere Anstalt muß daher die Viehwirthschaft, welche der jetzige König neuerlich auf der Achalm angelegt hat, verehrt werden. [1]

Dazu kommt noch der Übelstand, daß das Vieh häufig fremdes Eigenthum, sogenanntes Stellvieh oder Bestandvieh ist, das den Juden gehört, die ihr Eigenthumsrecht schändlich mißbrauchen und damit allen Wohlstand untergraben. Ein


  1. Ein mit den Verhältnissen genau bekannter Beobachter macht folgende Bemerkung: „Nicht nur das Mittel zur Besserung, sondern der Nutzen des Melkviehs überhaupt wird durch Mißbrauch der Weide außerordentlich geschmälert. Keine Milch, kein Pfund Butter oder Schmalz wird in dem Orte oder aus demselben (und der Ort ist einer der bedeutendsten Alporte) verkauft, vielmehr wird häufig sogar noch Butter und Schmalz gekauft. Durch die Weiden wird überdieß manches Stück Vieh hinweggerafft, im Jahr 1819 allein über 100. Die Farren sind sehr schlecht, oft ganz unbrauchbar, woran die Hexen Schuld seyn müssen, während die Ortsbehörden gemeiniglich die Schuld tragen.“ Bey der wachsamen Aufsicht und Sorgfalt der gegenwärtigen Oberamtsbehörde dürfte dem letzten Übelstand wenigstens bald begegnet werden.
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Johann Daniel Georg von Memminger: Beschreibung des Oberamts Reutlingen. Stuttgart und Tübingen: , 1824, Seite 063. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Reutlingen_063.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)