Seite:Oberamt Wangen 046.jpg

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Einfluß auf die sittlichen Eigenschaften des Volkes ist. Mag immerhin zugegeben werden müssen, daß die Bildung des Volkes durch Religion, Schulunterricht und sociale Ordnung unter den Verhältnissen der Vereinödung schwieriger zu befördern ist, so läßt sich doch die Thatsache keineswegs in Abrede ziehen, daß das harmlosere Leben auf den vereinzelten Wohnsitzen bei weitem weniger Berührungen herbeiführt, welche die Leidenschaften aufregen. Das Landvolk dieser Gegend ist daher durch eine gewisse Milde und sanfte Ruhe charakterisirt, die es von den nördlicheren oberschwäbischen Bezirken vortheilhaft unterscheidet. Wenn es auch unter jungen Leuten bei Trinkgelagen bisweilen zu roheren Ausbrüchen gereizter Stimmung kommt, so ist Händelsucht doch nirgends vorherrschend, und Fälle von blutiger Rache gehören zu den größten Seltenheiten, Criminal-Vergehen, Diebstähle ausgenommen, sind überhaupt nicht häufig. Vor Gericht beruhigt sich der Bauer gerne mit einem entschiedenen Spruch, und ist vielmehr zu Vergleichen als zu Prozessen geneigt. In seinen Angelegenheiten zeigt er, oft bei allem Mangel an Schulbildung, ungemein viel praktischen Verstand. Gleichgültig gegen politische Verhältnisse und öffentliche Fragen, ist er dem Hergebrachten treu zugethan, und hängt mit eifriger und strenger Pietät an religiöser Überlieferung. Im Ganzen muß man anerkennen, daß die Bewohner dieser Gegend sich viele natürliche Tugenden bewahrt haben, und wenn auch zuweilen noch ziemlich roh, doch gerade, offen, gegen Fremde gefällig, und in ihren Versprechungen zuverlässig sind. Ihre Lebensart ist einfach, Trunkenheit selten, namentlich das Branntweintrinken seltener, als man häufig behauptet. Dagegen sind die Bauern starke Esser, nicht selten zum Nachtheil ihrer Gesundheit. Die gewöhnliche Nahrung sind auf dem Lande Mehl- und Pflanzenspeisen; nur den Winter über verzehrt der Bauer sein selbstgeschlachtetes und eingesalzenes oder geräuchertes Rindfleisch. Rührig und geschäftig ist der Allgäuer Landmann, wie überhaupt der Oberschwabe nur zur Zeit der Feldgeschäfte, und lebt desto


Empfohlene Zitierweise:
Beschreibung_des_Oberamts_Wangen: Beschreibung des Oberamts Wangen. Stuttgart und Tübingen: J. G. Cotta, 1841, Seite 046. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Wangen_046.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)