Seite:Oberamt Wangen 254.jpg

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Dieser kam einst in Gesellschaft des Bischofs Ulrich von Augsburg, der zugleich auch Abt von Kempten war, auf einer Reise in die Gegend am rothen See. Hier überfiel sie der Schlaf, in welchem der heil. Ulrich die Mahnung empfing, seinen Gefährten Ratperonius zum Anbau und Ansiedelung in dieser Gegend aufzufordern. Dieser folgte der Weisung und bat die umliegenden adeligen Eigenthümer, ihm Grund und Boden zu einer Niederlassung abzutreten. Schnöde von ihnen abgewiesen, legte er einen Fluch auf sie, der in Erfüllung ging, indem ihre Häuser ausstarben. Nur Einer, Berengar von Arnanc (Arnach, Oberamts Waldsee), überließ ihm am rothen See einen öden Landstrich, wo ein wilder, grausamer Räuber hauste. Ratperonius machte nun das Land urbar, was ihm mit sichtlichem göttlichem Beistand schnell gelang, und erbaute mit eigenen Händen, da er keine Gehülfen hatte, eine große Kirche. Aber aus Eifersucht von benachbarten Klerikern bei dem Bischof Warmann von Constanz verläumdet, wurde er aus seiner Gründung vertrieben, und erst wieder von Eberhard, dessen Nachfolger, zurückberufen,[1] der auch die von Ratperonius erbaute Kirche der heil. Jungfrau Maria weihte. Zum Dank übergab Ratperonius seine Kirche und die ganze Kulturanlage der Umgegend dem Bisthum Constanz. Da übelwollende Menschen – setzt die Legende hinzu – ihm wiederholt seine Gehölze verwüsteten, bat er den Herrn, daß er ihn mit Wasserströmen schützen und seine Pflanzung rings umgeben möchte. Alsbald stieg das Gewässer und wuchs zu dem schönen See an, der noch jetzt zu sehen ist, und davon hat der Ort seinen Namen Röthsee. Ratperonius entschlief nach vieler Mühsal und liegt begraben in der Kirche, die er erbaut hat, und hört nicht auf, Segen über die Gegend zu verbreiten. Wirklich gibt die Lage von Röthsee deutlich zu erkennen, daß der See ehemals weit ausgedehnter war und der Ort sich auf einer Insel befand, wie es denn auch in dem gleich anzuführenden Kaufsvertrag heißt: insula in pago Nibilgouwe quae vocatur Rotse. Ulrich nämlich, Graf von Dillingen, Bischof von Constanz, verkaufte Röthsee mit allen Zugehörungen 1112 an das Kloster Petershausen um 8 Mark Silber. Dieses Kloster überließ um die Mitte des 16. Jahrhunderts Röthsee käuflich an Ulrich von Schellenberg um 4000 fl. Durch Heirath und Erbschaft kam es 1708, nach dem Tod des Freiherrn Franz Christoph von Schellenberg an die Linie der Waldburg-Wolfegg. Die Kirche (zur Verehrung Mariä) ist an


  1. Ussermann macht hier auf die chronologische Schwierigkeit aufmerksam, daß der Umgang des Ratperonius mit dem heil. Ulrich spätestens ums Jahr 962, diese Zurückberufung durch Bischof Eberhard aber frühestens 1035 erfolgen konnte.
Empfohlene Zitierweise:
Beschreibung_des_Oberamts_Wangen: Beschreibung des Oberamts Wangen. Stuttgart und Tübingen: J. G. Cotta, 1841, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Wangen_254.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)