Seite:Oberamt Welzheim 041.jpg

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den übrigen aus, obgleich ihnen eine allzugroße Indulgenz gegen verschiedene Neigungen, Schwächen und Gewohnheiten des Sinnesmenschen zum Vorwurf gemacht wird.

Das liebste Getränke auf dem Walde ist der Wein, den der rechte Bauer nicht schlecht im Keller hat: remsthäler oder weinsberger Thalwein. Der Obstmost wird meist noch aus unreifem Obst und allzuviel Wasser bereitet. Häufig ist der Genuß des oft mit nachtheiligen Ingredienzen geschärften Branntweins. Vereine gegen denselben gedeihen nicht auf dem Berge; denn gebrannte Wasser geben dem Holzmacher schnelle Wärme im Winter, löschen mit Wasser den Durst im Sommer, sind zu wohlfeil und zähmen den Hunger, schaden auch bei rauher Kost weniger. Auch das Bier ist ziemlich allgemein und gut. Gut bereiteter Kaffee wird vom weiblichen Geschlechte in ansehnlichen Quantitäten genossen. Erdbirnen, Roggenbrod – oft blau vom Ruß – bei Kirchweihen, Speisungen und Trinkgelagen weißes Brod mit Safran vergoldet – sogenanntes Krapfes – Milch, Butter, Knollen- und andere Käse, gewöhnliche Gemüse, worunter Sauerkraut obenan, Schwein-, Rind- und Kalb-Fleisch, Eier und Mehlspeisen sind die Speisen. Es wird viel gegessen und viel getrunken. In der Kochkunst sind die Leute aber nicht stark. Den Kranken wird Zuckerbrod zu Wein gekauft, den sie sogar in hitzigen Fiebern darreichen. Der Wein ist ihnen nebst Weißbrod nothwendig nach der Aderlässe, die sich fast regelmäßig wiederholt. „Hau mer schau lang nimmä g’lau“ heißts bei Allen. In den Thalorten hat der wohlhabende Bauer seinen, wenn auch nur in Obstmost bestehenden, Haustrunk. Die Mehrzahl lebt aber von Milch, Kartoffeln, Kraut und Mehlspeisen. An Fastnacht, Kirchweih u. s. w. werden Küchlein, Weißbrod und Kuchen mit Obst gebacken. Auf dem Walde werden die Stuben, in der Regel auch bei geringerer Kälte, tüchtig geheizt, wobei die Leute so leicht gekleidet sind, wie in der Heuernte.

Das obenerwähnte starre Herkommen der Waldbauern, das sich seine Mundart nicht biegen läßt, war auffallend nachgiebig gegen Modernisirung der Kleidung. Nur das kurze Mieder ist meist geblieben, das aber die Taille so verlarvt, daß der Leib vom Kopf bis zum Fuß eine geradlinige Pyramide bildet. Dazu wird ein Bändelhäubchen getragen, unter welchem die bebänderten Zöpfe herabwallen, so lange die Schöne noch unverheiratet ist. Der Bauernbursche auf dem Walde dagegen, noch in kurzen Lederhosen, an welche sich vest die hohen Stiefel anschließen, ein blaues Wamms mit weißen Knöpfen vest geschlossen, aus der Seitentasche Besteck vorstehend, mit schrägaufgesetzter, grüner, pelzverbrämter Sammtkappe und silberbeschlagenem Ulmerkopf mit kurzem krummem Rohr

Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Welzheim. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1845, Seite 041. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Welzheim_041.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)