Seite:Offenes Sendschreiben an die evangelisch-lutherische Geistlichkeit in Bayern in der Gesangbuchssache.pdf/6

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um ihm ein wenig auf den Zahn zu fühlen, das Commerçelied Nro. 589 auf, und nachdem er es unter stetem Kopfschütteln gelesen hatte, sagte er, über den Inhalt dieses Liedes ganz entrüstet: „Das Lied ist ja noch heilloser, als das, welches ich auf meiner Reise durch Sachsen gelesen habe, in welchem eine Confirmandin den lieben Allvater bittet, daß er ihr, wenn sie einmal heirathen solle, doch ja einen recht liebenswürdigen und treuen Freund in ihrem Bräutigam zuführen möchte. Solches Zeug singt man in Bayern? Wie mag es da um die Prediger und um die Gemeinden stehen? Ein solches Buch würden unsere Pastoren nicht in der Kirche dulden.“ Erst als ich ihm sagte, daß dieses Lied nicht gesungen werde, sondern nur darum im Gesangbuche stehe, weil dieses zu einer Zeit eingeführt worden ist, in der man es für etwas Zeitgemäßes gehalten hat, den Kirchenbüchern ein Janusgesicht zu geben; und erst, nachdem er vom lieben Badeprediger eine recht gläubige und salbungsvolle Predigt gehört hatte, legte sich sein Grimm allmälig.

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 Wir Geistliche warnen jetzt vielfach vor den Irrlehrern und Sectenmachern, die gleich Pilzen über Nacht aufschießen, und thun damit nur, was die Zeitverhältnisse von uns fordern, dulden aber ein Gesangbuch, das von Irrlehren wimmelt. Wir klagen über die unkirchlichen Zeiten, über die Unbekanntschaft so vieler Laien mit der Kirchenlehre, ja über den vielfachen Abfall von dieser, und können darüber nicht oft und laut genug klagen, lassen aber doch Jahr aus Jahr ein aus einem Gesangbuche singen, an dessen bessere Lieder Johann Ballhorn seine Hand angelegt hat, und dessen meiste Lieder ganz geeignet sind, jene Unbekanntschaft zu unterhalten und diesem Abfall Vorschub zuthun. Ist das nicht ein arger Widerspruch? Bleibt dieses Gesangbuch noch länger im Gebrauch, so kann es denjenigen Laien, die von seiner Erbärmlichkeit überzeugt sind, nicht verargt werden, wenn sie das Bedenken hegen, ob die sich rechtgläubig nennenden Geistlichen auch wirklich rechtgläubig seyen, und ob es diesen mit dem Dringen auf Lehreinheit, Bekenntnißtreue und Lehrzucht ein wahrer Ernst sey: Ich für meinen Theil finde zwischen dem von der letzten Generalsynode