Seite:Onkel und Neffe 1 03.jpg

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Weges aus dem Unterholz ein Geräusch wie von brechenden Aestchen und dann, gedämpft und von Eifer fast zitternd, der Ruf:

„Ruhig stehen bleiben – ich muß erst laden!“

Es war niemand zu sehen – die Stimme war aber unverkennbar die eines Knaben gewesen und erwartungsvoll lauschte der Fremde hinüber. Er hörte deutlich, wie eine Kugel in den Lauf gestoßen wurde, wie der eiserne Ladestock klapperte, wie der Hahn knackte und dann – ein scharfer Krach, das Aufblitzen eines Schusses und die Katze fiel lautlos und schwer herab auf den Weg und streckte nach einem kurzen, leichten Zittern die krallenbewehrten Tatzen steif von sich – von ihr war nichts mehr zu fürchten. „Hurrah!" hatte unmittelbar nach dem Schuß die helle fröhliche Knabenstimme von vorhin gerufen und im nächsten Augenblick sprang der kleine Schütze aus dem Unterholz über den Graben auf den Weg – mit einem sichern elastischen Sprung, während ein andrer Knabe, mit Gewehr und Jagdtasche beladen, langsamer und bedächtiger folgte.

Der glückliche Schütze schien sich allerdings viel weniger um den fremden Herrn zu kümmern, der ihm freundlich die Hand hinhielt, als um seine Beute. Mit von Eifer und Stolz gerötheten Wangen und blitzenden Augen bückte er sich nach dem Thier, hob es an den Hinterbeinen in die Höhe und rief seinen Gefährten herbei, der ziemlich linkisch näher trat.

„Nun schau nur einmal, Hans, was das für eine Mordsbestie ist! Aber getroffen hab' ich sie, daß der Onkel seine Freude dran haben wird. Schau her, in den Rachen und dann durchs Rückgrat – drum hat sie auch keinen Muxer mehr gethan! Du hast mich nicht umsonst angefletscht, schwarzer Satan, gerade zwischen die Zähne hast Du die Kugel bekommen! Wahrhaftig – kein weißes Härchen an dem Ungethüm; willst Du dir eine Mütze aus dem Pelz machen lassen, Hans?" so sprudelte es heraus und der Fremde legte endlich lächelnd die Hand auf die Schultern des kleinen Patrons und sagte:

„Hab vielen Dank, mein Junge – ich wußte wirklich nicht, was ich anfangen sollte und hätte mich wohl lange von dem Thiere anglotzen lassen können, ehe mir jemand zu Hilfe gekommen wäre. Aber sag einmal, kleiner Forstmann, gibt es denn viel solches Raubzeug hier herum?"

„Das will ich meinen und nicht bloß solche Katzen, die aus den Dörfern fortlaufen und im Walde in kurzer Zeit ganz und gar verwildern. Kommen Sie mit uns? Ich zeige Ihnen dann den Hühnergeier, den ich vor acht Wochen im Park geschossen habe; der Onkel hat ihn ausgebalgt, den Balg im Rauchfang gedörrt und ihn dann mit ausgespreizten Flügeln ans Hofthor genagelt und da soll er zur Erinnerung bleiben."

„Du hast ja rechte Heldenthaten zu erzählen – wie alt bist Du denn eigentlich?"

„Ach, schon neun Jahr und schießen kann ich seit dem achten – das hat mir der Onkel gleich gelehrt und später soll ich auch ein eignes Gewehr bekommen; das da gehört ja dem Onkel und wir haben es nur nach Hause tragen sollen."

„Womit hast Du denn aber da den Geier geschossen? Doch nicht mit der Armbrust?" Der Kleine sah den Frager ein wenig mitleidig an; hielt er es wirklich für möglich, einen Geier mit der Armbrust aus der Luft herab zu holen? Ein Jäger war der Herr ganz sicher nicht, sonst fragte er nicht so merkwürdig.

„Mit demselben Gewehr hier – komm Hans, gieb mir die Büchse und die Jagdtasche wieder und schlepp Du die wilde Katze heim – wird aber die Tante ein paar Augen machen! Gehen Sie noch ein Stück mit? Wenn Sie mögen, erzähle ich Ihnen, wie das mit dem Geier war. Sehen Sie, hier die Feder auf meinem Hut hab ich mir aus dem einen Flügel gezogen."

Der Fremde, den die kecke Art und der naive Stolz des Knaben belustigten, erwiderte:

„Gewiß mußt Du mir das erzählen, ganz ausführlich, aber sage, wo bist Du denn eigentlich zu Hause?"

„Ja so, das können Sie ja nicht wissen – drüben in Schloß Galendorf."

„Also ein Neffe des Freiherrn von Wildenstein?"

„Gott bewahre! der Herr von Wildenstein kommt nur immer Sonnabends heraus zu uns geritten und bleibt den

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Lavant: Onkel und Neffe (Rudolf Lavant) . Druck und Verlag der Genossenschafts-Buchdruckerei., Leipzig 1879, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Onkel_und_Neffe_1_03.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)