Seite:Onkel und Neffe 1 16.jpg

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zu bezahlen und einen öffentlichen Skandal zu verhüten, der für den alten stolzen Mann unerträglich gewesen wäre, aber es war auch hart für Dich, daß Dir Dein Bräutigam infolge dieser Vorfälle den Rücken kehrte. Nun könnte ich zwar sagen, daß an einem Manne, der so schwach war, dem Drängen seiner Verwandten, die eurer Verbindung von Anbeginn entgegen gewesen waren, nachzugeben, nicht allzu viel verloren gewesen ist, aber man weiß ja, wie ihr Weiberleute an eurer ersten Liebe hängt und verzweifelt tief ists bei Dir schon gegangen, denn Du hast Dich ja nicht entschließen können, einen Andern zu nehmen und bist bei Deinem alten Heinrich geblieben, sodaß mir wenigstens ein Frauenzimmer wohlgewollt hat; die andern haben ja von dem rauen alten Burschen nie etwas wissen mögen, die launenhafte Mamsell Fortuna nicht ausgenommen."

Das war freilich wieder ein Scherz, aber er kam doch recht bitter heraus, und es schien ganz, als sei der Alte auf dem besten Wege, sich noch tiefer in seine Unversöhnlichkeit hineinzureden. Die Tante war denn auch sehr zweifelhaft, ob es rathsam und nicht das Allerverkehrteste sei, weiter in den Bruder zu dringen; sie machte ein sehr bekümmertes Gesicht und zauderte mit der Antwort.

Da ging die Thür rasch auf und herein sprang Robert und stäubte sich den Schnee von dem pelzverbrämten Polenmützchen; die halbgeschmolzenen Flocken, die gegen die heiße Ofenplatte spritzten, zischten auf und mit von der Kälte und von Herzensfreudigkeit hochgerötheten Wangen stieß er munter heraus:

„So, das wäre glücklich abgemacht – es ist mir aber auch gar nicht sauer geworden, Onkel, und ich hätte wirklich nicht gedacht, daß es so leicht ist, sich auszusöhnen und zu vergeben."

„Nun ganz so leicht ist‘s doch nicht, das beweist Dir der Onkel!" sagte sanft, aber traurig die Tante – „er soll vergeben und vergessen und kann es nicht über sich gewinnen."

Robert, dem nun erst die bekümmerte Miene der Tante und das finstre Gesicht und die gerunzelten Brauen des Onkels auffielen, sah die Beiden verdutzt an und fragte endlich kleinlaut und schüchtern:

„Ist denn das, was die Tante sagt, wirklich wahr, Onkel?"

Der Alte murrte: „Das fehlt nun gerade noch, Theres, daß Du dem Jungen von solchen Dingen vorredest – was versteht denn er davon? Aber komm her, Robert – da nun einmal so viel heraus ist, will ich Dir wenigstens das sagen, was Du verstehen kannst. Was willst Du einmal werden?"

Robert machte große Augen; wozu diese Frage, auf welche die Antwort selbstverständlich war?

„Nun, das weißt Du doch, Onkel – Förster – was sonst?"

„So habe ich gerade gesprochen, auch als ich schon viel älter war, als Du. Aber sieh, wenn man es als Forstmann zu etwas Ganzem und Ordentlichem bringen will, muß man studiren und die Forstakademie besuchen, und das, mein Junge, kostet Geld, mehr Geld, als die meisten Leute haben. Mein Vater hätte es nun gehabt; es war sein eigner Wunsch, daß ich Forstmann werden sollte, aber – mein Bruder Ferdinand hat ihn um Alles gebracht. Er wollte immer hoch hinaus, unsere Verhältnisse waren ihm zu bescheiden, über unsere Verwandten und Bekannten rümpfte er die Nase und fühlte sich nur wohl in Gesellschaft von jungen, lockern adligen Officieren; und die ließen sich den Bürgerlichen gefallen, der sich durch Wetten und am Spieltisch Geld abnehmen ließ, viel mehr Geld, als er zu verlieren hatte. Das Ende vom Liede war, daß er auch Geld verspielte, das ihm nicht gehörte, und als er nicht mehr aus noch ein wußte, ging er bei Nacht und Nebel durch und hinterließ uns die ganze Bescheerung. Unser Vater mußte Alles opfern, was er besaß, damit sein Sohn nicht steckbrieflich verfolgt ward und mit der Forstcarrière war's aus – und mit manchem Andern auch."

Der kleine Patron hatte athemlos zugehört, und nun irrte sein Blick hin und her zwischen Onkel und Tante. Diese sagte endlich entschlossen:

„Eins mußt Du aber auch noch wissen. Dein Onkel Ferdinand ist damals in die weite Welt gegangen und dort ein tüchtiger, braver Mensch geworden; er hat sich ein großes Vermögen erworben; er ist verheirathet und hat solche kleine Buben wie Du, aber er ist doch aus Italien hierher gereist, um uns um Verzeihung zu bitten; das Leid, welches er

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Rudolf Lavant: Onkel und Neffe (Rudolf Lavant) . Druck und Verlag der Genossenschafts-Buchdruckerei., Leipzig 1879, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Onkel_und_Neffe_1_16.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)