Seite:Ossendowski - Schatten des dunklen Ostens.djvu/165

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens

furchtbares Zeichen der Willenlosigkeit und eines gefährlichen Halbwahnsinnes.

Diese apokalyptische Richtung ist unter dem Einflüsse Rasputins entstanden, obgleich der geheimnisvolle Abenteurer diese Bewegung nicht unterstützte. Im Gegenteil! Einige hervorragende Würdenträger der orthodoxen Kirche haben in Rasputin selbst eine Art Antichrist gesehen, doch als die erste Revolution ausgebrochen war und die antidynastische und antistaatliche Bewegung auf die neue Katastrophe hinwies, da ist das Studium der Offenbarung Johannis fast zu einer Manie geworden, die später als Beweis eines aristokratischen Geistes in Mode kam.

An die Spitze dieser antidynastischen Ideologie traten vier Menschen: der Sohn des Großfürsten Konstantin, Johann, der Erzbischof von Omsk, Sylvester, der Nowgoroder Bischof Jewdokim und der Bischof von Tobolsk, Pimen.

Eine sehr interessante Persönlichkeit war der Großfürst Johann. Ein christlicher Mystiker, in das Studium der kanonischen Bücher des alten orthodoxen Ritus vertieft, mit einem Hang zum Asketismus, kritisierte er scharf das ausgelassene Leben in Zarskoje-Selo. Sehr beliebt in den Kreisen, wo man die kirchliche Musik pflegt, von der Geistlichkeit hoch geachtet, mit der Schwärmerei über das Mönchsleben im Herzen, wurde er das Ziel des Spottes am kaiserlichen Hofe, wo sich besonders der Minister des Inneren, Nikolaj Maklakow, durch die gegen ihn gerichteten Witze auszeichnete. Maklakow war der bekannte Verfasser von einer Anzahl Anekdoten und Schwänke, denen er seine Karriere verdankte, die ihn bis zum Minister erhob. Der Fürst Johann stand auf der „schwarzen Liste“ und erschien nur bei Festlichkeiten am Hofe, war aber dafür in den Salons der liberalen und mystisch gesinnten Intelligenz gerne gesehen. Interessant war es, daß, als sich die Tendenz der orthodoxen Kirche kundgab, ein Patriarchat zu bilden, das den östlichen griechischen Kultus festsiegeln und ihn im Kampfe mit dem Katholizismus beschützen sollte, der junge Fürst Johann als erster Kandidat auf den Patriarchenthron in Aussicht kam. Die Revolution hat den Fürsten Johann durch die Bolschewiken in Alapajewsk ermordet.

Eine nicht weniger interessante, doch bedeutendere Persönlichkeit ist der Bischof Jewdokim. Von Bauern stammend, mit grobem Wissen und einem eisernen Willen ausgestattet, ein Asket, der an die Priester

Empfohlene Zitierweise:
Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens. Eurasia, Wien 1924, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ossendowski_-_Schatten_des_dunklen_Ostens.djvu/165&oldid=- (Version vom 15.9.2022)